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Krise der Hegemonie

Angesichts der erschöpften Mechanismen neoliberaler Krisenverschleppung in den Zentren wie in der Peripherie – kann in der manifesten sozioökologischen Krise die Finanzsphäre noch eine stabile Reproduktionsform des spätkapitalistischen Weltsystems ausbil

Konicz, Tomasz

Exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft, Bd. 21 (2024), Iss. 21: S. 23–71

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Konicz, Tomasz

Abstract

Der Text »Krise der Hegemonie. Angesichts der erschöpften Mechanismen der manifesten sozioökologischen Krise die Finanzsphäre noch eine stabile Reproduktionsform des spätkapitalistischen Weltsystems ausbilden?« von Tomasz Konicz bemüht sich – mit Fokussierung auf das Weltfinanzsystem – um die Darstellung der neuen Krisenphase, in die das spätkapitalistische Weltsystem nach der Erschöpfung der neoliberalen Formen der Krisenverschleppung eintritt. Im ersten Abschnitt werden die Veränderungen in der Finanzsphäre der USA mitsamt den weitreichenden Implikationen für die Krisenpolitik in den westlichen Zentren des Weltsystems beleuchtet, im zweiten Abschnitt werden die Entwicklungen in der Volksrepublik China und der Peripherie und Semiperipherie des Weltsystems thematisiert. Mit dem Einsetzen der Inflationsdynamik in den Zentren des Weltsystems sahen sich deren Notenbanken genötigt, ihre expansive Geldpolitik zu beenden, die Grundlage der langen Liquiditätsblase war, in der sich die Finanzsphäre seit dem Blasentransfer im Gefolge des Platzens der transatlantischen Immobilienblase 2007 bis 2008 befand. Die restriktive Geldpolitik, mit der die Inflation erfolgreich reduziert wurde, destabilisiert aber zugleich den in der neoliberalen Ära aufgeblähten Finanzüberbau, wie es an der Bankenkrise im März 2023 evident wurde. Die Krisenpolitik in den Zentren befindet sich somit in einer manifesten Sackgasse, die durch die Defizitkonjunkturen der neoliberalen Ära hinausgezögert wurde: Restriktive Geldpolitik führt zu konjunktureller Stagnation und Destabilisierung des Finanzsektors, während expansive Geldpolitik die Inflation anheizt. Somit dürfte sich in der kommenden Krisenphase – als Resultat geldpolitischen Lavierens – die Stagflation als ein Dauerzustand etablieren. Die Volksrepublik China wird als Teil des kapitalistischen Weltsystems begriffen, die in ihrer Krisenkonkurrenz denselben Krisenprozessen ausgesetzt ist wie der ›Westen‹. Hierbei werden sowohl die inneren wie äußeren Wirtschafts- und Finanzkrisen thematisiert, die der chinesische Staatskapitalismus jahrelang durch Interventionen und Dirigismus verschleppen konnte: die Schulden- und Immobilien krise in China, die weitaus größere Dimensionen angenommen hat als die 2007 geplatzte Immobilienblase in den USA und der EU, sowie die Schuldenkrise in der Peripherie- und Semiperipherie des Weltsystems, die aufgrund des Scheiterns des chinesischen Hegemonialprojekts der ›Neuen Seidenstraße‹ ausgebrochen sind. Das Großvorhaben Pekings, durch ein Kredit- und Entwicklungsprogramm ein chinesisches Hegemonialsystem zu etablieren, scheiterte an der Weltkrise des an seiner Produktivität erstickenden Kapitals. Aufbauend auf diesen Ausführungen argumentiert der Beitrag, dass die Errichtung eines neuen Hegemonialsystems unter chinesischer Führung, das die absteigenden USA ablösen würde, aufgrund fehlender Mechanismen der Krisenverschleppung in der sich nun entfaltenden manifesten Krisenphase nicht mehr möglich ist. Stattdessen drohen autoritärer Staatszerfall, geopolitische Instabilität, insbesondere in der Peripherie, sowie der Durchbruch faschistischer Bestrebungen – verstanden als autoritäre, letztendlich terroristische Form kapitalistischer Krisenherrschaft – in einem in Deglobalisierung übergehenden Weltsystem.