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Die kriselnde »Demokratie braucht Religion«

Zu Hartmut Rosas religiös aufgeladenem Resonanzkonzept

Böttcher, Herbert

Exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft, Bd. 21 (2024), Iss. 21: S. 121–137

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Böttcher, Herbert

Abstract

Die kriselnde »Demokratie braucht Religion«. Dieser Therapievorschlag ergibt sich aus Hartmut Rosas Resonanztheorie, die er als eine »Soziologie der Weltbeziehung« verstanden wissen will und die eine Weiterentwicklung der Kritischen Theorie sein soll. Die gesellschaftlichen Krisen deutet er als Resonanzkrisen. Befeuert werden sie dadurch, dass moderne Gesellschaften sich strukturell durch den Zwang zu Wachstum stabilisieren. Damit einher gehen ›stumme‹ statt ›klingende‹, d. h. entfremdende und verdinglichende statt resonante, d. h. in einer Beziehung von Anruf und Antwort stehende Weltbeziehungen. Die Konversion von stummen zu resonanten Weltbeziehungen soll gesellschaftliche Transformationsprozesse ermöglichen. Das gilt vor allem für die Demokratie, da sie das Primat der Politik über die übrigen gesellschaftlichen Sphären verkörpert. Und die »Demokratie braucht Religion«, weil sie eine Ressource für die Erfahrung von Resonanz und damit für gesellschaftliche Prozesse der Transformation ist. Damit stimmt Rosa ein in den Ruf nach Religion, der rund um die Krise lauter wird. Der Text von Herbert Böttcher macht deutlich, dass Rosas Resonanzkonzept – nicht zuletzt in seinem Bezug auf Heidegger – ontologisch grundgelegt ist und auf zeitlose Resonanzerfahrungen wie auf anthropologische Konstanten zurückgreift. Das läuft auf eine »affirmative Revolution« (Rosa) hinaus. Sie kann und will nicht die kapitalistische Form der Gesellschaft negieren, weil sie befürchtet, dadurch Hoffnungslosigkeit zu produzieren. Für sein ›positives Denken‹ braucht Rosa eine affirmative Religion und deren Resonanzressourcen, die ihrerseits durch Abstraktion von Herrschaftszusammenhängen gewonnen werden. Entsprechend werden gesellschaftskritisch denkende theologische Ansätze als offensichtlich zu ›negativ‹ und daher nicht anschlussfähig ignoriert. Sie erweisen sich aber als anschlussfähig für einen gesellschafts- und religionskritischen Blick auf Rosas Versuch, eine kritische zu einer affirmativen Theorie ›weiterzuentwickeln‹.