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Auf dem Weg zu einer ›unternehmerischen Kirche‹ im Anschluss an die abstürzende (Post-)Moderne

Böttcher, Herbert

Exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft, Bd. 17 (2020), Iss. 17: S. 180–239

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Böttcher, Herbert

Abstract

Auch die Kirchen werden in den Krisenstrudel gerissen. Ihre Krise zeigt sich ökonomisch als Krise langfristig schwindender finanzieller Ressourcen und auf einer inhaltlichen und symbolischen Ebene als Verlust an gesellschaftlicher und politischer Bedeutung. Ganz wie in ›weltlichen‹ Bereichen stehen auch für die Kirchen ›Reformen‹ an. Der Text von Herbert Böttcher »Auf dem Weg zu einer ›unternehmerischen Kirche‹ im Anschluss an die abstürzende (Post-)Moderne« zeigt auf, wie sich die Kirchen statt im ›Heiligen Geist‹ im ›Geist des Kapitalismus‹ reformieren wollen. Rat suchen sie bei Konzepten der Organisationsentwicklung, die auf der Grundlage der Systemtheorie operieren. Als Unternehmen wollen die Kirchen Anschluss an ihre Umwelten finden und auf die ›Höhe der Zeit‹ kommen. Heraus kommen dabei Anpassungsprozesse an eine (post)moderne Krisengesellschaft, die sich im Sturzflug nach unten befindet. Dabei geht es nicht nur um organisatorische Anpassung. Diese kann nur helfen, wenn auch die von den Kirchen angebotenen pastoralen und religiösen Produkte auf den esoterischspirituellen Märkten konkurrenzfähig sind und die Bedürfnislagen ihrer Kunden erreichen. Erreicht werden sollen Menschen in ihrer ›Alltäglichkeit‹ und in ihren ›Sozialräumen‹. Ohne Reflexion auf gesellschaftliche Vermittlungszusammenhänge sollen vom Druck der Krisenverhältnisse gestresste und in Depression getriebene Individuen erreicht und so versorgt werden, dass sie sich in den Verhältnissen wieder wohl oder wenigstens besser fühlen. Die angebotenen religiös-esoterischen Produkte sollen nicht an ihrem Wahrheitsanspruch, sondern an ihrer Nützlichkeit gemessen werden. In der Kirche eine Heimat finden sollen gleichzeitig aber auch Menschen, die angesichts des ›Relativismus‹ der Postmoderne nach Sinn und Identität suchen. Angesichts dieser Problemlagen öffnen sich die Kirchen identitärem und autoritärem Denken und Handeln. Dies alles lässt die Inhalte der jüdisch-christlichen Tradition nicht unberührt. Sie werden individualisiert und esoterisiert und sollen dabei existentialistisch und/oder in der Objektivität ›ewiger Wahrheiten‹ gesichert werden. Auf der Strecke bleiben die emanzipatorischen Gehalte der jüdisch-christlichen Tradition, die auf einer herrschaftskritisch zugespitzten Unterscheidung von Transzendenz und Immanenz beruhen.