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Immer noch »arm, aber sexy«? Ungleiche Lebenslagen und Klassenverhältnisse in Berlin

Forschungsbericht zum zweiten Schwerpunkt der Aktivierenden Befragung im Berlin-Monitor

Reimer-Gordinskaya, Katrin | Tzschiesche, Selana | Pickel, Gert

Herausgeber: Pickel, Gert | Reimer-Gordinskaya, Katrin | Decker, Oliver | Grella-Schmidt, Franka | Obermüller, Christian

Der Berlin-Monitor

2023

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Berlin galt vielen lange Zeit als Ort, an dem günstige Lebenshaltungskosten einen selbstbestimmten Alltag relativ unabhängig von Vermögen und Einkommen möglich machten. Die sozio-ökonomischen Ungleichheiten haben sich, seitdem ›arm aber sexy‹ zum Markenzeichen der Stadt gemacht wurde, allerdings rasant verschärft. Die Prekarisierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen betrifft dabei weit mehr als die 20 Prozent der Berlinerinnen und Berliner, die als armutsgefährdet gelten. Ihre Handlungsmöglichkeiten werden auf teils unterschiedliche, teils ähnliche Art eingeschränkt. In welchen Problemkonstellationen sich dies konkret niederschlägt, wie diese wahrgenommen und wie ihnen individuell und kollektiv begegnet wird, wird im Schwerpunkt Klassismus des aktuellen Berlin-Monitors untersucht. Dabei werden Ergebnisse aus einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage 2021 und der Aktivierenden Befragung 2022 des Berlin-Monitors zusammengeführt. Der Berlin-Monitor untersucht seit 2019 die Berliner Stadtgesellschaft im Spannungsfeld zwischen Heterogenität, Fragmentierung und Solidarität. Das Forschungsprojekt wird von der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) gefördert und in einem Forschungsverbund der Universität Leipzig und der Hochschule Magdeburg-Stendal durchgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover Cover
Titelseite 3
Impressum 4
Inhaltsübersicht 5
Inhaltsverzeichnis 6
Berlin: Immer noch ‚arm, aber sexy‘? 15
1 Theoretische und methodische Grundlagen 19
1.1 Handlungsfähigkeit in Klassenverhältnissen und angesichts von Klassismus 19
Klassen und Klassenverhältnisse 20
Transformation von Klassen(verhältnissen) und Klassismus als Variante der Fraktionierung 22
Intersektionalität von Klassismus und reaktionäre Identitäts- und Klassenpolitiken 24
Personale und kollektive Handlungsfähigkeit 26
1.2 Subjektwissenschaftliche Methodologie und qualitative Methodik 27
Subjektwissenschaftliche Konzipierung, Forschungsziele und Leitfragen 28
Wechsel zwischen Datenerhebung und -auswertung, unterschiedliche Interview-Partner:innen 29
Erste Erhebungs- und Auswertungsphase: Expert:innen aus Organisationen 29
Zweite Erhebungs- und Auswertungsphase: Erfahrungen von Expert:innen des Alltags 30
Vom Code-System zum Text: Verdichtung und Konturierung des Narrativs 31
Dritte Erhebungs- und Auswertungsphase: Nacherhebungen und Querschnittsthemen 31
Verschriftlichung: Theoretische und empirische Kontextualisierung, Verallgemeinerung und Handlungsfähigkeit 32
Datensatz und Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung 33
2 Virulente Krise der Sorgearbeit in Berlin 34
Theoretische Hinführung und Rahmung 34
2.1 (Alleinerziehende) Frauen in prekärer Lage: Silvia, Katja, Petra und Jenny 37
„Wir alle.“ Lebenswege in Ost und West vor und nach der Wende 39
„Das waren damals so die Zeiten.“ Alleinerziehende Mütter, Kinderarbeit und frühes Ende der Kindheit 39
„Hat auch mich geprägt natürlich.“ Steinige Schul- und Ausbildungswege 42
„Das Dumme war: Ich war schwanger.“ Mangelnde Unterstützung davor und danach 45
„Er hat sich in mein Herz gevögelt.“ Liebe und Kinder, Kompromisse und Schlussstriche 48
„Stress. Arbeit immer.“ Umgangsweisen mit der Vereinbarkeit 51
„Dann heißt es wieder, man kümmert sich nicht.“ Zeit für Kinder oder keine Kinder 51
„Das war ein Kampf.“ Kinderbetreuung, Niedriglohnarbeit und Hartz-IV-Regime als Zerreißprobe 53
„Es war zu machen, was heute nicht mehr ist.“ Niedriglohnarbeit und Kinder betreuung als Drahtseilakt 55
„Das war gut für mich, für Alina auch.“ Das Allein-mit-Kind-Sein möglichst vermeiden 57
„Das Leben könnte so einfach sein.“ Folgen und Perspektiven 58
„Wo ich sage, ich kann nicht mehr.“ An den Grenzen der Reproduktionsfähigkeit 58
„Wofür die Mühe?“ Was sich ändern müsste: Lohn, Arbeitszeiten und Daseinsvorsorge 60
„Ich nicht mehr.“ Gemeinsame Kämpfe und Vereinzelung, Abgrenzungen und Solidarität 62
Zusammenfassung 65
2.2 Sorge um alte Menschen unter Hochdruck: Louis und Paul 67
„Ich denk’ sofort an meine Eltern.“ Sorgearbeit als Beruf im 21. Jahrhundert 68
„Wir machen das Gleiche.“ Stratifizierung der Pflegearbeit als Problem und bedingte Chance 69
„Die wissen nicht, wann sie Wasser trinken müssen.“ Abwertung lebensspendender Arbeit 71
„So was von stressig.“ Ökonomisierte Pflegekräfte und Pflegebedürftige 73
„Dass die dann oft besser wissen, was man tun soll.“ Im Konflikt mit Angehörigen 76
„Muss man auch akzeptieren.“ Rassismuserfahrungen im stationären Alltag 77
„Es explodiert einfach.“ Riskante Lebenslagen und (über)individuelle Umgangsweisen 79
„Reicht überhaupt nicht.“ Ungenügende und ungerechte Entlohnung versus Gewinne 79
„Es ist gefährlich für meinen Körper.“ Sorgearbeit als individualisiertes Lebensrisiko 81
„Es kommt doch keiner zu uns.“ Verschärfung des Mangels an Sorgearbeiter:innen 83
„Allein schaffst du das nicht.“ Ambivalente Kollegialität und innerbetriebliche Gegenwehr 84
„Ich möchte nicht ins Heim.“ Aussichten fürs Arbeiten und Leben in der Altenpflege 87
„Dass man arbeitet, um zu leben.“ Furcht vor Zusammenbruch und Hoffnung auf Besserung 87
„Verdi ist für die mit den alten Verträgen.“ Handlungsplattform für alle Pflegekräfte? 89
„Wir lassen uns jetzt nicht mehr verarschen.“ Arbeitskämpfe um Krankenpflege als Modell 91
„Zukunft der Sorge“. Finanzialisierung der Altenpflege versus Sorgende Städte 94
Zusammenfassung 99
3 Transnationales Leben in Berlin unter einem neoliberalen Migrationsregime 101
Theoretische Hinführung und Rahmung 101
3.1 Bedingte Freizügigkeit in der EU: Elena und Adrian 105
„Ich will das Leben hier auch dort.“ Systematische Ungleichheit von EU-Bürger:innen 106
„Jeder will zu Hause sein.“ Ungewolltes Weggehen und schwieriges Ankommen 107
„Alle machen das so.“ Lohn- und Versicherungsbetrug durch Betriebschef:innen 110
„Und jetzt bekomme ich größere Rechnungen.“ Erschwerte Rechtsdurchsetzung 114
„Das Problem heißt institutionelle Diskriminierung.“ Ausschluss von sozialen Rechten 116
„Abhängigkeit von jeder Art von Arbeitsverhältnis.“ Zwangslagen durch Arbeits-, Sozial- und Aufenthaltsrecht 116
„Weil ich nicht sprechen kann.“ Institutionelle Diskriminierung in Jobcentern und anderen Sozialbehörden 118
„Weil es nicht richtig war, was die gemacht haben.“ Kampf gegen Windmühlen und Teilerfolge für entrechtete Arbeitsmigrant:innen 122
„Wir wollen keine Probleme, wir wollen arbeiten.“ Schwellen der Akzeptabilität 123
„Wir sprachen, aber sie hatten Angst.“ Kolleg:innen organisieren? 124
„Mir haben sehr viele Leute geholfen.“ Soziale und anwaltschaftliche Ressourcen 125
„Obwohl man in Einzelfällen erfolgreich ist.“ Kämpfe gegen gleichbleibende Strukturen 126
Zusammenfassung 128
3.2 UnFreie IT-Arbeit in der Start-Up-Metropole: Tarik, Andi, Roman und Jacob 129
„Not what it was decades ago“. Berliner Plattformunternehmen 131
„Und dann haben sie angefangen, wieder zu schrumpfen“. Strukturen der Unternehmen 131
„Younger people, highly migrantized“. Zusammensetzung der Plattformarbeiter:innen 133
„Lieferando doesn’t really care“. Arbeiten in der digitalisierten Fabrik 136
„They always talk about flexibility“. Probleme mit Schichtplänen, Ausstattung und Lohn 137
„Tätigkeit pro Sekunde“. Digitale Taylorisierung dezentraler Arbeit und Outsourcing 140
„Heavily Siloed“. Fragmentierung der IT-Arbeiter:innen 143
„Wie wenn du so nen Krieg hast.“ Hierarchisierung und Konkurrenz in Belegschaften 143
„Lieferando is never in front of you“. Kooperation und Konflikt zwischen Einheiten 146
„Nothing we can do.“ IT-Arbeiter:innen unterm/jenseits vom algorithmischen Management 148
„A testing ground“. IT-Arbeiter:innen organisieren sich 149
„Just calling a friend and complaining about my job basically.“ Raus aus der Isolation 150
„Schlimmer als wenn du keinen Betriebsrat hast.“ Gegenwind und Union Busting 152
„Und dann haben wir gesagt. Das geht nicht!“ Erfolge der betrieblichen Organisierung 153
„We can be the future of labour organizing.“ Perspektiven gewerkschaftlicher Kämpfe 155
Zusammenfassung 158
4 Arbeit an der Berliner Demokratie und Kultur unter entsicherten Bedingungen 159
Theoretische Hinführung und Rahmung 159
4.1 Gefährdete Freiheit. Solo-Selbstständigkeit in der Kulturhauptstadt: Nico, Ingo und Hannah 162
„Viel von so nem Gedanken der Selbstbestimmung.“ Der Wunsch nach Selbstständigkeit 163
„Von meinen Eltern her wär ich wahrscheinlich jetzt Anwältin und hätte drei Kinder.“ Biografische Wege in die Selbstständigkeit 164
„Ich muss mir eigentlich morgens nicht die Frage stellen, warum ich aufstehe.“ Sinnstiftendes und selbstbestimmtes Arbeiten 166
„Wie so ein Kippbild.“ Schattenseiten der Solo-Selbstständigkeit 168
„Abhängigkeit minus Pflichten der Arbeitgeber.“ Selbstständigkeit als Selbstbetrug? 169
„Dann ist ja eigentlich nie so richtig Feierabend.“ Entgrenzung von Arbeit und Freizeit 171
„Man muss sich ja finanziell irgendwo verdingen.“ Leben von und Leben für etwas 174
„Ein Schock.“ Fehlende materielle Absicherung als chronisches und akutes Problem 175
„Naja so drei- bis viertausend Euro Erspartes irgendwie.“ Mangelnde Absicherung von Risiken 175
„Das hat ja auch immer was mit Wertschätzung zu tun.“ Solo-Selbstständige in der Covid-19-Pandemie 178
„Dass wir halt auch aufeinander aufpassen.“ Solidarität im Lebenszusammenhang und beruflichen Alltag 179
„Dann bist du erstmal ein Gegengewicht.“ Solidarische Strukturen im Berufsalltag 180
„Wie in so ner Schneekugel eigentlich.“ Solidarische Lebenszusammenhänge unter Druck 183
Zusammenfassung 185
4.2 Subjektivierte Arbeit am politischen Gemeinwesen: Miriam, Joschua und Heiko 187
„Genau das, was ich machen will.“? Wege in die heterogene Demokratiearbeit 189
„Wie das vorgesehen war“ und „ins kalte Wasser gehüpft.“ Typische Bildungsverläufe in (un-)bekannte Tätigkeiten 189
„Nie weit im Voraus planbar.“ Prekär-fremdbestimmte, solo-selbstständige Bildungsarbeit 193
„Man tut was fürs große Ganze“ mit „viel Freiraum“. Attraktive und teilautonome Projektarbeit 195
„Immer so’n Cut.“ Demokratiearbeit auf Kosten der Demokratiearbeiter:innen 198
„Saisonarbeit, Überstunden, Strukturarbeit“. (Un-)gewollte Flexibilität und (un-)bezahlte Mehrarbeit 198
„Schlechte Bezahlung“ und „Abwertung“. Angemessene Einkommen für professionelle Arbeit? 201
Vom „Ausgeliefertsein“ bis zum „Sechser im Lotto“. Akute Risiken der Demokratiearbeit 206
„Burnout“ und „Altersarmut“. Lebenslaufbezogene Risiken der Demokratiearbeit 210
„Berufung“ oder „Beruf“? Umgangsweisen mit Zumutungen der Demokratiearbeit 212
„Das ist wie ein Ehrenamt.“ Selbstausbeutung für die gute Sache bis zum Berufsausstieg 213
„Keine Aufträge mehr“ und „immer Geknirsche“. Ringen um (kollektive) Interessenvertretung 216
„Es würde sich lohnen.“ Gewerkschaftliche Organisierung und Professionalisierung als Zukunftsmusik 220
Zusammenfassung 223
5 Leben in Armut: Britta, Marianne, Yulia und Olga 224
„Raus gekantet von diesem System.“ Wege in ein Leben in Armut 226
„Ich konnte dann nicht mehr.“ Schicksalsschläge, Krankheit und eine abgebrochene Berufsbiografie 227
„Mit den Kleidern am Leib.“ Aus einem bürgerlichen Leben über Umwege plötzlich ‚Hartz IV‘ 228
„Ich dachte nur an die Zukunft für mein Kind.“ Migration, Entwertung von Qualifikationen und Arbeit im Transferbezug 229
„Das ist mein Geld.“ Einkommen unterhalb und an der Armutsgrenze 231
„Ein Leben, das der Würde des Menschen entspricht“? Alltag mit (zu) geringen Einkommen 234
„Was man gerne gemacht hat.“ Bildung, Kultur und Wohlbefinden 234
„Alles gelaufen.“ Mobilität im Alltag, Reisen und Urlaub 236
„Das ist alles, was ich habe.“ Wohnqualität, Internet und Fernsehen, Haushaltsgeräte 238
„Was kann ich überhaupt noch essen?“ Hinreichende und gesunde Ernährung? 240
„Wie lange die noch hält.“ Angst vor größeren Ausgaben und Verschuldung 242
„Ich stecke da in der Klemme.“ Dispo-Kredite, Verschuldung und Schufa-Einträge 243
„Sie müssen, Sie müssen.“ Erfahrungen mit Behörden 245
„Ein (verlorener) Kampf.“ Umgangsweisen und Perspektiven 249
„Das innere Indien.“ Lebensstil, Genügsamkeit, Kampf und Resignation 249
„Alleine kann man sich nicht halten.“ Unterstützung durch soziale Netzwerke 252
„Immer mehr Leute.“ Die Gaben der Berliner Tafeln als notwendige Wohlfahrt 254
„Es ist die Frage, welchen Standpunkt du einnimmst.“ Kritik, Kollektivität und Assoziation? 256
Zusammenfassung 262
6 Rück- und Ausblick: Heterogene Klassensegmente, verallgemeinerbare Anliegen? 264
„Ob ich da überhaupt als Frau …“ Geschlechtergerechtigkeit 265
„Was man gelernt hat, war für den Westen nichts.“ Anerkennung von Qualifikationen 266
„So’n Ungleichgewicht.“ Zeit fürs Leben jenseits der Erwerbstätigkeit 267
„Es ist gefährlich für meinen Körper.“ Wohlbefinden und Gesundheit 269
„Reicht überhaupt nicht.“ Auskommen mit dem Einkommen 271
„Jetzt meine Ecke markieren für Pfandflaschen.“ Absicherung im Alter 273
„Wie tief soll ich fallen?“ Der Blick nach unten 274
„Wir kämpfen jeden Tag.“ Mobilisierung, Organisierung und Verbindung 276
7 Klassismus im Berlin-Monitor: Befunde aus der Repräsentativerhebung 2021 278
Erhebung von Klassismus in der Einstellungsforschung 278
Die Konzeptualisierung und Operationalisierung von Klassismus 279
Bezugs- und Erklärungsfaktoren klassistischer Abwertung: Gerechtigkeitsorientierungen und Deprivationserfahrungen 281
Studiendesign und Erhebung 283
Abwertung statusniedriger Gruppen in Berlin – in der Breite existent 284
Gerechtigkeitsorientierungen in Berlin 286
Finanzielle Deprivation und Abwertungserfahrungen in Berlin 288
Beziehungen: Leistungsgerechtigkeit als Triebkraftf ür klassistische Einstellungen 289
Intersektionalität von Klassismus 292
Klassismus und politische Positionen 293
Begründungslinien für Klassismus 295
Fazit und Zusammenfassung 297
Literatur 300