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Individualität und Kunst

Zum Problem ihrer normativen Bestimmung in Hegels »Phänomenologie des Geistes«

Iselt, Carolyn

Hegel-Studien, Beihefte, Bd. 76

2024

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Anders als hinlänglich aus der Rezeption der Kunstphilosophievorlesungen Hegels bekannt weist Carolyn Iselt in ihrer Studie zur Kunst-Religion in der »Phänomenologie des Geistes« nach, dass dem menschlichen Individuum in der Kunst auch für Hegel nicht nur Bedeutung in idealisierter Form als Götterskulptur oder als tragischem Helden zukommt. Vielmehr dienen die klaren ästhetischen Formen dazu, das Unterdrücken der Individualität hervor- und diese ins Bewusstsein treten zu lassen. Im Kapitel Kunst-Religion ist demnach eine Entwicklung vom sittlichen-allgemeinen Bewusstsein hin zum Erkennen der Bedeutung des Einzelnen und dessen Individualität nachzuvollziehen, und zwar anhand einer systematischen Abfolge von Kunstgattungen – Skulptur, Gesang, Epos, Tragödie und Komödie. Daraus lässt sich auch für die Kunst ableiten, dass ein Hinausgehen über die ideale Einheit auch aus ästhetischen Gründen notwendig ist. Während dies den zweiten Teil der Arbeit bildet, zeigt die Autorin im ersten auf, dass sich am Ende des Vernunftabschnitts im Unterkapitel »Das geistige Thierreich und der Betrug, oder die Sache selbst« das allgemeine Bewusstsein des Geistes aus der Kritik an der dort dargestellten Vorstellung von absoluter Individualität entwickelt. Herausgearbeitet wird hier, dass Hegel Individualität überhaupt mit »Thun« gleichsetzt, sodass die jeweils besondere Bestimmung der Individualität erst aus einem im Tun entstehenden Wechselspiel zwischen angeborenen Eigenschaften und sozialer Wirklichkeit erfolgt. Aber nicht nur der Einzelne bestimmt und erfährt sich durch sein Handeln, auch die Gemeinschaft sowie deren Bewusstsein, der Geist, gründet im »Thun Aller«. Im geistigen Tierreich wird zwar diese Basis des Geistes – das Tun interagierender Individuen – en détail dargelegt, aber ein geistiges Bewusstsein tritt lediglich als Desiderat auf. Mithin fehlt es auch an einem Medium der Reflexion. Letzteres stellt den Zusammenhang zur Kunst bzw. zur Kunst-Religion her. Im Kunstwerk reflektiert sich nicht nur das Künstlerindividuum, sondern gleichfalls die soziale Wirklichkeit, durch die auch der Künstler bis in seine Individualität hinein bestimmt ist. Durch den Fokus auf die Kunst-Religion und das geistige Tierreich wird in dieser Studie der Zusammenhang zwischen individuellem Tun, dem Kollektiv handelnder Individuen und Kunst herausgestellt. Dabei wird ausgehend vom hegelschen Text sowohl die Vermittlung zwischen dem Einzelnen und der sittlichen Allgemeinheit als auch die substantielle Bestimmung der Kunst diskutiert.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover U1
Titel 3
Impressum 4
Inhalt 7
Dank 11
Einleitung 13
1. Individualität und Kunst – das Problem ihrer (normativen) Bestimmung 13
1.1 Skepsis an der definitorischen Bestimmung der Kunst 13
1.2 Das Normative bei Hegel 17
1.3 Das Klassische 22
2. Zur Phänomenologie des Geistes 29
2.1 Die Bewusstseinsgestalten 31
Das erscheinende Wissen und sein Maßstab 31
Skeptisches Prüfen und Erfahrung 32
Geistiges Bewusstsein und Wissenschaft 34
Zutat durch bestimmte Negation und Umkehrung 37
Darstellung und Kritik 38
2.2 Knoten und Bund und andere Verhältnisse 39
Die Einheitlichkeit der Phänomenologie des Geistes 39
Programmatische allgemeine Reflexionen 41
2.3 Systematik und Geschichte 47
2.4 Das zugrunde gelegte Schema 52
2.5 Substanz und Subjekt 55
2.6 Überblick 57
TEIL I Das Hervorgehen des Allgemeinen aus dem Besonderen 61
1. Die Entwicklung der Kategorie und der Individualität im Vernunftabschnitt 63
1.1 Die Kategorie 67
1.1.1 Vom Selbstbewusstsein zur Vernunft 69
1.1.2 Die Einführung der Kategorie im Anschluss an Kant und Fichte 72
Kant 76
Fichte 78
1.1.3 Konsequenzen der transzendentalen Kategorie 90
1.1.4 Die Kategorie in der beobachtenden Vernunft 93
1.1.5 Die Kategorie in der Verwirklichung des vernünftigen Selbstbewusstseins durch sich selbst 96
1.1.6 Die Kategorie in der Individualität, welche sich an und für sich selbst reell ist 98
1.2 Die Individualität 101
1.2.1 Die Verdinglichung der Individualität in der beobachtenden Vernunft 102
Die Individualität und das Organische in der Beobachtung der Natur 105
Das Verhältnis zwischen Individualität und Welt in der Beobachtung des Selbstbewusstseins 111
Die verknöcherte Individualität in der Beobachtung der Beziehung des Selbstbewusstseins auf seine unmittelbare Wirklichkeit 113
1.2.2 Hegels Prinzip der Individualität 118
Die Lust und die Notwendigkeit und die reine, kreisende Individualität 122
Das Gesetz des Herzens und die verkehrende Übersetzung 126
Die Tugend und der Weltlauf und das Tun als Ansichsein der Individualität 131
2. Das geistige Tierreich und der Betrug, oder die Sache selbst 136
Die Individualität als Kategorie 136
Inhaltliche und schematische Entwicklung der Individualität 139
Individualität als bloße Performativität – Probleme der Forschung 140
2.1 Ursprüngliche Bestimmtheit der Natur – die subjektive individuelle Ebene 146
2.1.1 Das Ansichsein der reinen Individualität 147
Selbstbewusstsein und Lebendiges – Kategorie und Individualität 147
Das logische Problem 153
Das Element der Individualität 155
2.1.2 Das Tun der Individualität 159
Umstände, Interesse, Talent, Mittel, Werk oder die ganze Handlung 161
Modell I: Natürliches Talent, Genie und unendliche Kreativität des Performativen 169
2.1.3 Das Werk als realisierte Bestimmtheit der Individualität 172
Handlung und Herstellung – Reines und Bestimmtes Tun 172
Das Werk als realisierte individuelle Bestimmtheit 175
Modell II: Die Individualität des Kunstwerks 180
2.2 Die Wirklichkeit der Individualität und des Werks – die objektive Ebene 182
2.2.1 Der Widerspruch des Werks 183
Die Bestimmtheit und das allgemeine Bewusstsein der Individualität 184
Das Element als Sein und Bewusstsein 186
Das Verschwinden der Individualität 188
Modell III: Rezeptive und objektive Bestimmung des Kunstwerks 193
2.2.2 Das Selbstbewusstsein der Individualität 194
Der Gegensatz zwischen (Selbst-)Bewusstsein und Wirklichkeit 195
Das Auseinandertreten der Momente im bestimmten Tun 197
Aufhebung des Gegensatzes der Momente im reinen Tun 199
Das Selbstbewusstsein der Individualität – Übergang zur Sache selbst 203
Modell IV: Die Kunst als 'Sache selbst' und ihre substantielle Bedeutung 209
2.3 Ehrlichkeit und Betrug, oder die Sache selbst – die absolute Ebene 211
2.3.1 Die Kategorie als Ziel der Sache selbst 211
Weitere Unterkapiteleinteilung und Binnenstrukturen 212
Sinnliche Gewissheit und Wahrnehmung 215
2.3.2 Die Ehrlichkeit 222
Begrifflich-logische und phänomenale Darstellung der Ehrlichkeit 223
Modell V: Vereinseitigung und Provokation 227
2.3.3 Der Betrug 228
Begrifflich-logische Darstellung des Betrugs 229
Die phänomenale Darstellung des Betrugs 232
Modell VI: Urteil und Stempel – Kunstkritik 235
2.3.4 Die Sache selbst als Subjekt und Kategorie 237
Normativität und Individualität 237
Von der Individualität zur Subjektivität 240
2.3.5 Gesetzgebende und gesetzprüfende Vernunft – die 'Umkehrung' zum Geist 246
3. Das sittliche Bewusstsein und das sittliche Tun 252
3.1 Vernunft und Kategorie – Geist und Sittlichkeit 254
Tun, Handeln und die Sache selbst 255
Die Sittlichkeit als Sache selbst 257
3.2 Bewusstsein und Handlung 260
3.2.1 Das sittliche Bewusstsein 264
3.2.2 Die sittliche Handlung 273
3.2.3 Eine paradigmatische Darstellung der Sittlichkeit in der Tragödie? 278
Teil II Das Hervorgehen des Besonderen aus dem Allgemeinen – Die Kunstreligion 281
1. Einleitendes – antike und romantische Kunstreligion 283
1.1 Religion und Kunstreligion in der Phänomenologie des Geistes 287
1.2 Das geistige Tierreich und die Kunstreligion 290
Drei Ebenen 292
1.3 Die Kunstreligion und ihr Ende – Zur Forschungsdiskussion 293
1.3.1 Die Fokussierung der positiven Bedeutung 293
1.3.2 Die Fokussierung der negativen Entwicklung 299
2. Der Übergang von der natürlichen zur Kunstreligion 303
Der Werkmeister als instinktartiger Arbeiter, der Künstler als geistiger Arbeiter 303
2.1 Exkurs zur Arbeit in der Phänomenologie des Geistes 304
Die logische Struktur der Arbeit, Bewahren und Vergegenständlichen (1.) 308
Die Bildung des Bewusstseins (2.) 309
Theoretisch-praktische Bildung (3.) 311
Die existentielle Seite der Bildung (4.) 312
Die Realisierung des Selbstbewusstseins durch den Kampf auf Leben und Tod 313
Die Arbeit des bürgerlichen Herrn 315
2.2 Instinktartiges Arbeiten 321
2.2.1 Das Instinktartige als Prozess der Vergeistigung 324
Reflexion des Verhältnisses von Einzelnem und Allgemeinem 325
Selbstbewusstsein – Differenz und Kontinuität 325
Vermittlung von Geist und Natur 326
Die drei Ebenen und der Maßstab ihres Verhältnisses 329
Die Stufen des Instinktartigen 329
2.2.2 Fünf Momente des instinktartigen Arbeitens 331
Das kunstvolle Artefakt (1.) 332
Reflexion der Substanz (2.) 334
Arbeit bildet (3.) 337
Aufgreifen vorangegangener, vor allem natürlicher Formen (4.) 338
Das bewusstlose Werk (5.) 342
3. Der Bildhauer und die Skulptur – das abstrakte Kunstwerk 345
3.1 Voraussetzungen des Künstlers 345
3.1.1 Das Instinktartige im geistigen Arbeiter 345
3.1.2 Das Verhältnis der Mythologie zur Kunst 350
3.2 Das abstrakte Kunstwerk 351
Einleitendes 351
3.2.1 Die subjektive Ebene: der Künstler 352
Das sittliche Tun der Bürger und die reine Tätigkeit des Künstlers 353
Die Individualität des sittlichen Bewusstseins 362
3.2.2 Die objektive Ebene: das Werk und die Rezipienten 365
Absolutes und gewordenes Werk 366
Die verehrende Rezeption 368
Die negative Seite der Rezeption – Individualität, Kritik, Erfahrung 371
3.2.3 Die absolute Ebene: das Darstellen der geistigen Substanz 374
Ästhetische Betrachtung der Skulptur – das Schöne 375
Hymne und Kult 378
4. Der Rhapsode und das Epos – das geistige Kunstwerk I 382
4.1 Die subjektive Ebene: der Dichter und der Sänger 383
Dichterisches Gestalten und mündliches Überliefern 383
Der Sänger 386
4.2 Die objektive Ebene: die unschlüssige Schlussform des Epos 387
4.3 Die absolute Ebene: die abstrakte Einheit und der konkrete Einzelne 391
5. Der Schauspieler und seine Maske, Tragödie und Komödie – das geistige Kunstwerk II 395
5.1 Die subjektive Ebene: Individualität, Schauspieler, Maske 396
5.2 Die objektive Ebene: Sprache, Form und Wirkung 398
5.2.1 Die allgemeine Sprache des Helden 398
5.2.2 Die Form der Tragödie 399
Das Wissen des Charakters 400
Das Recht des Charakters 404
Das Nichtwissen 406
5.2.3 Der Chor und die Wirkung der Tragödie 411
Das 'Jammern' und 'Schaudern' des Chores im Kontext von Aristoteles' Poetik 415
Das Zerfallen des Schauspielers 421
5.3 Die absolute Ebene: die begriffene negative Einheit der Tragödie 427
Zur Komödie Überleitendes 429
5.4 Der Schauspieler und seine Maske in der Komödie 430
5.4.1 Die subjektive Ebene: die Ironie der Maske 431
Die individuelle Aneignung des Göttlichen durch das Natürliche 434
5.4.2 Die objektive Ebene: Demos und verschwindender Dunst der Wolken 439
Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinem, von Individualität und Sittlichkeit 441
Philosophische Dimension 442
5.4.3 Die absolute Ebene: Schicksal, Individualität und Ende 445
Die Vereinigung der Nacht des Schicksals mit der abgeschiedenen Eumenide 446
Die Bestimmung des komischen Bewusstseins 453
Wesentliche Verbindung der Tragödie und Komödie 454
Die Ironie der Ironie 457
6. Die Kunst nach der Kunstreligion 458
6.1 Die Substanz als Prädikat oder als Subjekt 459
6.2 Das durch die Kunst hervorgebrachte Bewusstsein der Individualität 464
6.3 Erinnerung durch Kunst 467
Schluss 474
Versinnlichung des Geistes und Vergeistigung des Sinnlichen 474
Die Bedeutung der subjektiven, objektiven und absoluten Ebene für die Kunst 479
Individualität und Kunst 481
Literaturverzeichnis 485
Quellentexte 485
Sekundärliteratur 488