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Ethik – ein ästhetischer Blick auf die Welt

Eine Untersuchung des ästhetischen Moments in der moralischen Orientierung

Funk, Konstantin

2025

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Wie kommt es, dass zwei Besucherinnen einer Mahler-Symphonie die gleichen Akkorde, Harmonien und Melodien hören, aber in jenen einmal Dissonanz und Langeweile, bzw. Schönheit oder Erhabenheit entdecken? Unter Rückgriff auf welche »Fakten« streiten die jeweiligen Rezipienten bedeutungsgeladener Phänomene? Und wie entstehen die propositionalen Wahrnehmungsebenen, auf deren Grundlage sich Wert und Bedeutung, also alles ästhetisch wie ethisch Relevante zeigt? Wie also entdecken wir Bedeutungen, Wertvolles in der Welt? Diese Untersuchung fragt nach den Bedingungen gehaltvoller normativer Erfahrungen. Sie behauptet unter Rückgriff auf Denkmotive John McDowells, dass das verstehende Erkennen von Gutem und Schlechtem das Ergebnis einer in Lebenswelt situierten Wahrnehmungsschule ist, deren Besuch auch der Frage nach Existenz und Objektivität eben jener Phänomene vorgeschaltet sein muss. Der Grund hierfür liegt in der Genese moralischer Gewissheiten innerhalb einer konkreten kulturellen Praxis: Hier, im Alltag, finden sie Anwendung, bewähren sich oder werden aktualisiert und verworfen. Unser moralisches Bewusstsein konstituiert sich also weniger durch notwendige Fakten, die wir lernen, als vielmehr durch Erfahrungen, die wir machen. Dies stellt die institutionalisierte akademische Ethik vor Herausforderungen.Konstantin Funk hat Musik, evangelische Religionslehre (Schwerpunkt: Systematische Theologie) und Philosophie in Freiburg i. B. und Mainz studiert und ist Referendar für das Gymnasiallehramt in Leipzig

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover U1
Vorwort 7
Inhaltsverzeichnis 9
Abkürzungen 13
1. Einleitung 15
Alles Geschmackssache? 18
Sind Ethik und Ästhetik eins? 23
2. Definitionsversuche 28
2.1 Was ist Ethik? – Ein erster Definitionsversuch und Problemanzeige 28
Gefühl oder Vernunft? 31
Ethische Gründe 35
Zwischenbetrachtung 39
These 1. Zeit und Ort: Kulturbedingheit versus Kategorizität 39
These 2. Emotion und Affekt: sinnliche Erfahrung als hermeneutischer Schlüssel 40
These 3. Ontologische Konsequenzen von 1. + 2. 40
2.2 Musikalischer Exkurs: Was ist Musik? 42
2.3 Zwischenfazit 49
3. Die zweite Natur als Wirklichkeitsraum ethischer und ästhetischer Eigenschaften 55
3.1. Wem gehört der Naturbegriff? 55
Der Naturalismus – das »methodische Apriori der Wissenschaften« 55
Exkurs zu Holm Tetens: die Hypothese ›Gott‹. Was glaubt ein Theist im Zeitalter des Naturalismus? 67
Was glaubt ein Naturalist? 70
Die Erklärungsnot des Naturalismus 72
Konsequenzen 75
3.2 John McDowells Naturalismus zweiter Natur 79
Geist und Welt 79
Kultur und Natur 83
McDowells Deutung der aristotelischen zweiten Natur 89
Innen und Außen 92
3.3 Die zweite Natur aus entwicklungspsychologischer und sprachphilosophischer Perspektive 100
3.3.1 Entwicklungspsychologische Argumente 100
Die ethische Bedeutung des sozialen Biofeedbacks 105
Das Gegenüber als ›bildgebendes Verfahren‹ meines Inneren 108
Die Entdeckung des ›Selbst‹ 111
3.3.2 Was stört Wittgenstein an Augustinus? Die Gebrauchstheorie der Bedeutung 113
Sprachliche Einbettung und Engagement statt Introspektion 115
Sprache als Hineinwachsen in eine Lebensform 116
3.3.3 Die Reichweite der Begriffe: Ist moralisch oder ästhetisch gehaltvolle Wahrnehmung immer begrifflich konstituiert? 123
Gibt es einen Begriffsgehalt? 123
McDowells Begrifflichkeitsthese 129
Einwände gegen die Begrifflichkeitsthese 133
Zwischenfazit 139
Kann man denken, ohne zu reden? Der taubstumme Mr. Ballard 140
3.3.4 Sprache als musikalischer Teil unserer zweiten Natur 151
Der musikalische Ursprung der Sprache 153
Prosodie: das andere des Begriffs am Begriff 157
Musikalischer Ausdruck als Problem und Chance für McDowells Begrifflichkeitsthese der Wahrnehmung 159
Exkurs: der musikalische Ausdruck 162
Der musikalische Ausdruck und McDowells Begrifflichkeitsthese: ein Übertrag 167
Zusammenfassung und Zwischenfazit: Martin Seels liberale Lesart McDowells 170
3.3.5 Bedeutungsgebende Prosodie und begrifflich-narrative Tiefenstrukturen sichtbar machen: die Erzählung als Grundlage der Ethik 173
Der Heiratsantrag 175
Die Eigenart moralischer Begriffe als ästhetische Begriffe: Narrationen 178
Exkursorische Überleitung 183
4. Aisthesis und Bedeutung 185
4.1 Bedeutung und sekundäre Qualitäten 185
Die Suche nach einem Wirklichkeitsraum für Bedeutungsvolles 192
Naturalistic fallacy 198
Musikästhetischer Übertrag: geteilte epistemische Bedingungen des Grausamen und Schönen 203
4.2 Ein Plädoyer für die ›jüngere Schwester‹ der Logik. Der Beginn der Ästhetik bei Alexander Gottlieb Baumgarten 209
Baumgartens ästhetische Wahrheit und die Aufgabe der Ästhetik 218
4.3 Über Verwandtschaft und Trennung ästhetischer und ethischer Charakteristiken 222
Interesselosigkeit 222
Ästhetische Aufmerksamkeit 228
John Deweys ästhetischer Erfahrungsbegriff 232
Die Grenzen der Interesselosigkeit: die Ästhetik der Wertschätzung bei Corine Pelluchon und das Erhabene bei Immanuel Kant 238
Das Erhabene 243
4.4 Ästhetische Anschauung als Perspektivenzuwachs: der barmherzige Samariter, Rollen, Nähe und Distanz 248
Von Nächsten und Fremden: die Parabel des barmherzigen Samariters als Geschichte der Multiperspektivität 248
Erste Stufe moralischer Orientierung: ästhetische Aufmerksamkeit als Dezentrierung und Wertschätzung des Wahrgenommenen 253
Zweite Stufe moralischer Orientierung: »Und als er ihn sah, jammerte es ihn« 255
Drittens: Ergebnisse ästhetischer Aufmerksamkeit und Empathie: generalisiertes Individuum statt Formationsbegriff 257
Zwischen Distanz und Überidentifikation: Versuch eines praktischen Übertrags 261
Distanz: Rollen statt Personen 261
Nähe: gespiegelte Selbstbetrachtung in ›falscher‹ Empathie 265
4.5 »Man muß mit menschlichen Gefühlen rechnen.« Zur Bedeutung von Emotion und Empathie für die Ethik 268
Der empathische Nahhorizont als Tor zur Moral: Bernhard Williams’ Amoralist 273
Parochialer Altruismus oder: »Nächstenliebe, die Mutter aller Kriege« 278
Was können wir vom Amoralisten lernen? 283
4.6 Thomas Fuchs’ interaktiver Realismus: von der Wahrnehmung zur Wirklichkeit 287
5. Die Suche nach dem Mittelweg 299
5.1 Das Fassungsvermögen musikalischen Ausdrucks: Überlegungen anhand Martha Nussbaums Upheavals of Thought 299
Nussbaums musikästhetischer Realismus 300
»Tönend bewegte Formen«: Hanslick, Hindemith, Mahler und Nussbaum 304
Zwischenfazit 315
5.2 Schluss: Bedeutungsphänomene als kontingente Phänomene. Ein Vorschlag. 321
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein 321
Ethik und Ästhetik zwischen Schöpferkraft und Naturnotwendigkeit 324
Kontingenz bei Wolfhart Pannenberg 332
Zwischen Determinismus und Zufall – ein philosophiegeschichtlicher Rekurs 335
Moralische Notwendigkeit ist hypothetische Notwendigkeit 337
Ethik als Kontingenzeröffnung – Versuch eines ethischen Übertrags 345
Kontingente Kunst und kontingente Moral – Verwandtschaft und Trennung 349
Literaturverzeichnis 353
Online-Quellen und -Verweise 369