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Rackets

Kritische Theorie der Bandenherrschaft

Fuchshuber, Thorsten

2019

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Bibliografische Daten

Abstract

Das Racket wurde von Max Horkheimer weder als neutrale Strukturkategorie noch als soziologischer Idealtypus begriffen, sondern als dialektisch-anthropologische »Grundform der Herrschaft«. Zunächst als Kritik des Nationalsozialismus intendiert, sollte sie zugleich die verschiedene Gesellschaften übergreifenden Tendenzen identifizieren, die mit der »steigenden organischen Zusammensetzung des Kapitals« (Marx) wirksam werden, und zwar in politisch höchst unterschiedlichen Formen. Gemein ist den Rackets die Zerstörung und Unterdrückung all jener gesellschaftlichen Vermittlungsinstanzen, die die selbstdestruktive Dynamik des Kapitals in einem gewissen Maße einhegen und damit auch dem aus dieser Dynamik entspringenden antisemitischen Wahn bestimmte Schranken setzen könnten. Indem die Racket-Theorie den Verlust des Scheins der Autonomie des Rechts reflektiert, der sich mit dem Funktionswandel des Rechts in den bürgerlichen Gesellschaften wie mit der Abschaffung des Rechts im Nationalsozialismus vollzog, markiert sie den der nachliberalen Phase der kapitalförmigen Vergesellschaftung angemessenen Begriff des Politischen. Die Racket-Theorie sollte ein »Dokument unabhängiger Theorie unserer Zeit« werden und auf Initiative von Max Horkheimer in Form einer umfassenden Kollektivarbeit von allen Mitarbeitern des einstigen Frankfurter Instituts für Sozialforschung im US-amerikanischen Exil ausgearbeitet werden. Letztlich jedoch ist die Rackettheorie ein Fragment geblieben. Die vorliegende Arbeit stellt die Entstehungsgeschichte jener theoretischen Grundrisse dar und zeichnet sie als in intensiver Auseinandersetzung mit der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie entwickelte Kritik der Gewalt aus. Sie thematisiert den Zusammenhang und die Differenz von Souveränität und prekärer Einheit, die die miteinander rivalisierenden Rackets allenfalls zu bilden imstande sind, sowie die zentrale Bedeutung, die der Antisemitismus dabei hat. Auch nach dem Sieg der Alliierten über den Nationalsozialismus scheint die Relevanz der Rackettheorie für eine Kritik der spätkapitalistischen Totalität unabgegolten: Gesellschafts- und Staatszerfall äußern sich in verschiedenen Formen, nicht allein in Bandenherrschaft und failed states wie Somalia; so etwa im russischen Racket-Staat und der mit ihm verbundenen „multipolaren Ordnung“, in der Destabilisierung ganzer Länder und Regionen wie im Nahen Osten unter dem führenden Einfluss des Iran. Nicht zuletzt im Fortbestand der antisemitischen Vernichtungsdrohung und im globalen Hass auf Israel kulminiert daher die traurige Aktualität der Racket-Theorie.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover U1
Inhaltsverzeichnis 7
1. Einleitung: Philosophieren auf gepackten Koffern 9
2. Fragment und Einheit 37
3. Zur Vorgeschichte des Racketbegriffs 45
Vorbemerkung 45
Der Racketbegriff in der Terminologie der US-amerikanischen Juristik und Kriminologie 50
Labor-Racketeering und Anti-Unionismus während des New Deal 56
A nation of racketeers? 73
4. Der Entstehungskontext der Racket-Theorie 77
Abschied von der île heureuse: Horkheimers literarisches Frühwerk 77
Die Herrschaft der Banden in der Weimarer Republik 93
Die Diskussion über den Nationalsozialismus 133
5. Der Entwurf einer Theorie der Racketgesellschaft 197
6. Elemente einer Kritischen Theorie der Racketgesellschaft 271
Vorbemerkung 271
Zum Verhältnis von Racket-Theorie und Kritik der politischen Ökonomie 276
Das sozial atomisierte Individuum als Racketeer 327
Die Rackets und das Recht: Zu einer kritischen Theorie des Staates 355
Antisemitismus in der Racketgesellschaft 428
7. Ein »einziges entfaltetes Existentialurteil«: Das Racket als Begriff der kritischen Gesellschaftstheorie 459
8. Zur Aktualität der Racket-Theorie: Staatszerfall, ›Warlordisierung‹ und Autoritarismus 489
9. Schluss 521
Danksagung 553
Literaturverweise 555
Literaturverzeichnis 581