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Freiheit und Trieb

An den Grenzen der Psychoanalyse

Göllner, Renate | Dahlmann, Manfred

2019

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Freuds Psychoanalyse erscheint immer schon veraltet und ist zugleich hellsichtiger denn je. Das Kapital verwandelt die persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse in unpersönliche, aber in der konkreten Situation, durch die hindurch der Wert allein sich verwertet oder eben, wie in der manifesten Krise, nicht verwertet, setzt es weiterhin oder aufs Neue und in verschiedensten Ausprägungen durchaus personale Heteronomie voraus. So ist die Vorstellung, patriarchalische, persönlich geprägte Abhängigkeitsverhältnisse existierten einfach nicht mehr, Ungleichheit sei durch gleichen Tausch abgeschafft, absurd. Ebenso absurd aber ist die Behauptung, das Patriarchat und dessen Familienstruktur existierten wie eh und je, in ihrem Wesen ungebrochen trotz aller real-abstrakten Formen von Herrschaft. Dabei liegen in den Brüchen, die durch diese Formen erzeugt werden, die Möglichkeiten ebenso individueller Emanzipation wie modernisierter Barbarei. Die Essays beschäftigen sich auf dieser Grundlage mit dem Misstrauen gegenüber der Freudschen Psychoanalyse im Feminismus und in der Existenzphilosophie (Beauvoir, Sartre): mit Versuchen, ihre Triebtheorie in linguistisch aufgelösten Strukturen (Lacan) oder vom intrauterinen Zustand abgeleiteten Narzissmus (Chasseguet-Smirgel, Grunberger) zum Verschwinden zu bringen; mit der Verdrängung der Bisexualität und nicht zuletzt mit der Sharia als organisierter Gewalt gegen Frauen und Homosexuelle. Anders als Freud meist interpretiert wird, gehen die Essays von der Antinomie aus, dass es ohne Triebtheorie keinen Freiheitsbegriff und ohne Freiheitsbegriff keine Triebtheorie geben kann. Daraus ergibt sich auch ihr ‚Seitenthema‘: Literarische Versuche, die solchen Antinomien sich stellen wie die Romane von Vladimir Jabotinsky, Boualem Sansal und Robert Schindel sowie die radikale Abrechnung von Niklas Frank mit seinem Vater.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover U1
Inhaltsverzeichnis 7
Manfred Dahlmann: Der hilflose Analytiker I
Wer wählt die Neurose? Wiederkehr der Psychoanalyse in der Existenzphilosophie Jean-Paul Sartres 9
Die lesbische Frau, das zweite Geschlecht und die sexuelle Gewalt. Versuch über Simone de Beauvoir 43
Verdrängung der Bisexualität. Chasseguet-Smirgel, Grunberger und Lacan 67
›Muss eine böse Mutter wohnen‹? Versuch über Melanie Klein 105
Hexenwahn und Feminismus. Über die Dialektik feministischer Aufklärung am Beispiel von Silvia Bovenschens Kritik 127
Masochismus und Befreiung: Georges-Arthur Goldschmidt 155
»Brecht mit eurem Vater.« Bruch und falsche Versöhnung in der postnazistischen Familie 171
Auf der Suche nach der verlorenen Stadt. Über Vladimir Jabotinskys Roman Die Fünf 183
Sansals Prosa und die Phrasen des Friedens 197
Alice Schwarzer und der Höllenkreis 213
Editorische Nachweise 219
Danksagung 221