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Pangermanismus

Edvard Beneš und die Kritik des Nationalsozialismus

Ruttner, Florian

2019

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Das vorherrschende Bild von Edvard Beneš, dem langjährigen Außenminister und zweiten Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik, ist ein düsteres. Er gilt zuweilen als engstirniger Nationalist, unzeitgemäß, manchmal gar als Plagiator Adolf Hitlers. Ein solches Bild kann dann entzerrt und gewissermaßen versachlicht werden, wenn Benešs Kritik an deutscher Ideologie zur Darstellung gebracht wird. Das vorliegende Buch, das sich auch auf bislang unveröffentlichte tschechische Quellen stützt, leistet hierzu einen Beitrag. Beneš vertrat einen westlichen Staatsbegriff, der sich am Individuum orientierte und hielt auch dann noch an diesem fest – und war nur insofern unzeitgemäß – als die Idee einer Moderne, die auf dem Gedanken beruht, eine wie auch immer vernünftig gestaltbare Welt einzurichten, durch autoritäre und völkische Bewegungen ins Wanken geriet. Benešs Kritik am völkischen Pangermanismus ermöglichte es ihm, die Destruktivkräfte des deutschen Nationalsozialismus schon früh zu erkennen und auch zu sehen, wie sich dieser von anderen autoritären Herrschaftsformen wie den italienischen Faschismus im Staatsverständnis unterscheidet. Diese Einsichten gewann Beneš im Kampf mit diesen Systemen. Schließlich kommt er, obgleich nicht nur Theoretiker, sondern auch Politiker, zu ganz ähnlichen Einschätzungen über den Nationalsozialismus und Faschismus wie Franz Neumann und Hannah Arendt. Aufgrund seiner Einschätzung des Nationalsozialismus als völkische Massenbewegung verabschiedete sich Beneš auch von besonders im deutschen Exil verbreiteten Vorstellungen, dass in Großdeutschland geknechtete Massen nur auf eine gute Gelegenheit warteten, um sich vom Joch der Partei zu befreien. Selbst in weiten Teilen des sudentendeutschen Exils waren völkische Vorstellungen verbreitet, was Beneš vehement kritisierte. Doch schließlich wird auch die Grenze der Einschätzungen Benešs ausgelotet, hat er bei aller theoretischen und praktischen Ablehnung des Antisemitismus keinen Begriff desselben entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover U1
Inhaltsverzeichnis 7
Einleitung 11
I. Die westliche Nationalstaatskonzeption Benešs und der völkische Staat 17
1. Die Kritik an Beneš 17
2. Westlicher und völkischer Staat 25
II. Der Begriff des Pangermanismus und die Kritik am Nationalsozialismus 37
1. Zum Begriff des Pangermanismus 37
A) Die Grenzgebiete als Wiege des Nationalsozialismus 37
B) Pangermanismus und völkischer Nationalismus 42
2. Die Kritik des Pangermanismus bei Masaryk und Beneš im und nach dem Ersten Weltkrieg 51
A) Masaryk: Der Pangermanismus als Titanismus und Größenwahn 51
B) Beneš: Der Pangermanismus als Gegner des westlichen Staatsgedankens 70
3. Die Einschätzung des Nationalsozialismus und anderer autoritärer Strömungen in der Zwischenkriegszeit 81
A) Autoritäre Bewegungen als neues europäisches Phänomen 82
B) Die Krise als gesamtgesellschaftliches Problem 85
C) Die Krise der Demokratie und der Kampf mit autoritären Regimen 99
D) Das Ernstnehmen des ideologischen Moments 111
4. Benešs Unterscheidung zwischen Nationalsozialismus und Faschismus in Demokratie heute und morgen 124
A) Die Unterscheidung zwischen autoritärem System und Demokratie 125
B) Der Faschismus als relativistische Revolte gegen die Aufklärung 130
C) Der faschistische Autoritätsbegriff: Kollektivismus durch Internalisierung der staatlichen Herrschaft 134
D) Der Nationalsozialismus als höchstes Stadium des Pangermanismus 138
E) Der Staat als bloßes Instrument im Nationalsozialismus 145
III. Wenzel Jaksch, Edvard Beneš, das Exil und die Deutschen 157
1. Jaksch, der Demokrat und Beneš, der Chauvinist? 157
2. Die deutschböhmische Sozialdemokratie und der Nationalismus 164
A) Frühe nationalistische und völkische Einflüsse 164
B) Die Erste Republik und das Aufkommen des Volkssozialismus 170
3. Jakschs »Volk und Arbeiter«: Volkssozialismus und Nationalismus 174
4. Richard Löwenthals Kritik am Volkssozialismus 191
5. Curt Geyers Kritik am Volkssozialismus 197
6. Die Positionen von Jaksch und Beneš zu Beginn des Exils 202
7. Die Abspaltung der Zinnergruppe 226
A) Die Kritik an Jaksch im Exil 226
B) Die Volksgemeinschaft im Gau Sudetenland 242
C) Mit der Volksgemeinschaft gegen Hitler: Jaksch und der Widerstand 246
8. Die Nazis oder die Deutschen? 251
A) Beneš und der Vansittartismus 251
B) Der Kontakt zur Gruppe Fight for Freedom 262
C) Der Bruch mit Jaksch 280
D) Weiterer Kontakt zu Fight for Freedom 294
E) Die Frage der Schuld und der Verantwortung bei Beneš und Jaksch 308
IV. Die Kritik des Antisemitsmus bei Masaryk und Beneš 323
1. Masaryk, Grenzwächter der Aufklärung 326
2. Probleme eines instrumentellen Begriffs des Antisemitismus 335
3. Beneš: Grenzen der Aufklärung, Grenzen des Pangermanismus 339
4. Der Kampf gegen den Antisemitismus in Jan Masaryks Radioansprachen 346
V. Schlussbemerkung 357
Anhang 367
1. Literaturverzeichnis 367
2. Fremdsprachige Zitate im Original 381
Danksagung 401