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Abjekte Antike

Die Obszönität antiker Literatur im Frankreich der Frühen Neuzeit

Wendt, Daniel

Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften, Neue Folge, 2. Reihe, Bd. 163

2021

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden obszöne Texte in Frankreich zu einem Problem erklärt, das nun nicht mehr nur Frage der persönlichen Empörung war, sondern staatliche Zensur und Strafe nach sich zog. Gleichzeitig verlor die antike Literatur im Laufe des 17. Jahrhunderts zwar ihren paradigmatischen Status, das Sprechen über die Obszönität antiker Texte nahm dabei aber immens zu und rekurrierte weiterhin auf antike Autoritäten. Ausgehend von diesem Paradox untersucht die Studie den Umgang mit dem Phänomen antiker Obszönität in literaturtheoretischen, historischen und moralischen Diskursen vor allem des 17. und 18. Jahrhunderts. Vor dem Hintergrund des Bedeutungswandels von ‚obscenus‘ zu ‚obscène‘ spürt sie interdiskursive Elemente in Traktaten, Lexika, Briefen, Editionen und Übersetzungen auf und analysiert (antike) Obszönität als Kollektivsymbol humanistischen, höfischen, bürgerlichen, aufklärerischen und revolutionären Selbstverständnisses. Sie beschreibt dabei Obszönität als diskursives Moment dialektischer Distanzierung zwischen Interesse und Abstoßung.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Umschlag Umschlag
Titel 3
Impressum 4
Inhaltsverzeichnis 7
Vorwort 9
1 Einleitung: Das obszöne Paradox – Methodologische Vorüberlegungen 11
1.1 Wert(e)verlust 11
1.2 Paradoxer Klassizismus: Strategien der Anti-Autorisierung 17
1.3 Aggregatszustände antiker Texte: Methodische Prämissen 24
1.4 Texte über Texte: Ziele und Herangehensweise der Untersuchung 34
2 Moderne Obszönität und antike Texte 43
2.1 ‚Obscénité‘? Historische Semantik des Obszönen und sprachliche Reinheit 44
2.2 Antike Dispositionen: αἰσχρολογία und ‚obscenitas‘ 63
2.2.1 Theater, Invektive und Erziehung 64
2.2.2 Rhetorik der Distinktion: ‚aptum, decorum‘ und Humor 70
2.2.3 Autorschaft und Autonomie der Sprache 79
2.3 Moderne Autorschaft und obszöne Tradition: Der Prozess gegen Théophile de Viau 89
2.3.1 Eine Autobiographie vor Gericht? 90
2.3.2 »Phylis, tout est …outu« und die Antike 99
2.3.3 Die obszöne Bibliothek: Die »affaire Garasse« und die »ruse libertine« 104
3 Pathogene Antike: Obszönität und Assumption 117
3.1 ‚Le (dé)goût du siècle‘ und die kontaminierten ‚Modernes‘ 119
3.1.1 ‚L’homme dégoûté‘. Ästhetik und Habitus der Abstoßung 119
3.1.2 Überdruss und Ansteckung: Ekel an der Literatur der Antike 125
3.2 »Comme un nouvel art«: Moralisierung der Ästhetik und Historisierung der Poetik 138
3.3 Obszönität und Öffentlichkeit: Aristophanes als ‚empoisonneur publique‘ 149
4 (Aus)gesuchte Antike: Obszönität und Ordnung 165
4.1 ‚Le bon grain et la paille‘: Dekanonisierung und Hierarchisierung der obszönen Autoren 166
4.2 Klassische und nicht-klassische Antike in der ‚Querelle du françois et du latin‘ 176
4.3 Gereinigte und bedeckte Textkörper: Das Obszöne in Editionen und Übersetzungen 185
4.3.1 Entfernung und Dislokation des Obszönen 187
4.3.2 Lateinische Obszönitäten in Verkleidung: Übersetzung als Gegen-Zensur 193
4.4 Pierre Bayle und die Rationalisierung des Obszönen 207
5 Entfernte Antike: Obszönität und Geschichte 223
5.1 Vom Kreis zur Linie: Moderne Geschichtstheorie und der Blick auf die Antike 225
5.2 ‚»Les Anciens sont les Anciens«‘: Die Antike als das Andere der Moderne 236
5.2.1 ‚Le défaut du siècle‘: Historisierung als Fundierung von Gegenwärtigkeit 237
5.2.2 Kontra-präsentischer Kulturpessimismus und Energetik des Obszönen 254
5.3 Obszönität als Provokation ‚zur‘ Literaturgeschichte: Huets Genealogie des Romans als Geschichte einer Entwurzelung 266
Schlussbetrachtung: Vitalität. Die obszöne Literatur und ihre Leser 279
Literaturverzeichnis 285
A.1. Antike Primärtexte 285
A.2 Mittelalterliche und frühneuzeitliche Primärtexte 288
B Forschungsliteratur 299
Indices 325
Rückumschlag Rückumschlag