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Gefühle ‚schwarz auf weiß‘

Implizieren, Beschreiben und Benennen von Emotionen im empfindsamen Briefroman um 1800

Lange, Stella

Germanisch-Romanische Monatsschrift. Beihefte, Bd. 77

2016

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Die Relation zwischen empfindsamem Briefroman und Affekt, Gefühl oder Emotion ist theoretisch betont, jedoch selten manifest geworden. Im Übergang zur modernen Episteme zeigt sich innerhalb dieser Gattung eine im hohen Maße ästhetisch ausdifferenzierte Sprache der Emotionen. Intuitiv geht dies aus den exemplarischen Briefromanen, ‚Julie, ou La Nouvelle Héloïse‘ (1761), ‚Die Leiden des jungen Werther‘ (1774; 1787) sowie ‚Ultime Lettere di Jacopo Ortis‘ (1817) hervor. Wie wird dies aber textanalytisch unter Berücksichtigung historischer und gegenwärtiger Emotionstheorien im Zuge des ‚emotional turn‘ plausibel? Der Schlüssel liegt in der Revision des europäischen Emotionskonzepts als eines Zusammenspiels zwischen subjektiver Bewusstwerdung und Reflexion. Folglich lässt sich in der ästhetischen Praxis des Briefeschreibens eine Kulturtechnik entdecken, die abhängig vom zugrundeliegenden paradigmatischen Emotionskonzept eine reflexive Bewusstwerdung oder eine Verhüllung von Emotionen zulässt.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover C
Titel 3
Impressum 4
Danksagung 5
Inhaltsverzeichnis 7
1 Einleitung 11
2 "Emotion" und "Gefühl": eine Begriffs- und Gegenstandsdefinition 23
2.1 Die Etymologien der Emotionsbegriffe im Wandel der Kulturen vom 18. bis zum 21. Jahrhundert 25
2.1.1 Affekt 25
2.1.2 Empfindung und Gefühl 29
2.1.3 Emotion 35
2.1.4 Die Emotionsbegriffe und ihre Gefühls-Kontexte als Fortschreibung der Körper-Geist-Dichotomie 38
2.2 Affekt und Gefühl in Aristoteles’ Regelpoetik und ihre konzeptuelle Fortführung in ästhetischen Schriften bis Anfang des 19. Jahrhunderts 42
2.2.1 Aristoteles: Die situationsgebundene Emotion und ihr rechtes Maß 43
2.2.2 René Descartes: Psyche und Physis einer aktiv und passiv wirkenden Emotion 47
2.2.3 Entwicklung der Moral-Sense-Theory: Shaftesburys moralisches Gefühl, Hutchesons Benevolence und Humes Prinzipien des Vergleichs und der Sympathie 52
2.2.4 Rezeptions- und produktionsästhetische Betrachtungen zu affect und sentiment und die Frage nach dem Schönen bei Du Bos, Batteux und Diderot 57
2.2.5 Ästhetische Betrachtungen zur Herausbildung einer natürlichen Schreibweise am Beispiel von Baumgarten, Breitinger und Herder 62
2.3 Die Neuentdeckung der Emotion in den Wissenschaften an der Schwelle zum 21. Jahrhundert 68
2.3.1 Von Darwin zu Damasio: Entwicklung und Kritik der Neurobiologie der Emotionen 69
2.3.2 Emotionspsychologie 79
2.3.3 Sprach- und Kognitionswissenschaften 83
2.3.4 Literatur- und Kulturwissenschaften 91
2.3.4.1 Simone Winko: Emotion als Code 92
2.3.4.2 Katja Mellmann: Emotionen als Attrappe 94
2.3 Fazit und Stellungnahme zu Begrifflichkeit und Forschungsperspektive 99
3 Theorien und Methoden der sprach- und textbezogenen Emotionsforschung im Rahmen des "Emotional Turn" 109
3.1 Szenario-Ansätze in der Philosophie 110
3.1.1 Schlüsselszenarien zur Vermittlung von Emotionen 111
3.1.2 Die Narrativierung von Emotion in Bewusstseinsstufen 116
3.2 Das Narrativ im Narrativ – Emotion als Mini-Drama in einem emotionspsychologischen Ansatz 121
3.3 Zwischen Leser/-in und Text – Vom Situationsmodell zu emotional spaces und emotional anchors 127
3.4 Literatur- und kulturwissenschaftliche Ansätze zur Analyse von Emotionen 133
3.4.1 Literarische Gattungen und Handlungsstrukturen als Formprinzip der Emotion 136
3.4.2 Der Reiz ästhetischer Attrappen und die emotionale Reaktion in Leserin und Leser 140
3.4.3 Emotion als Code in Text und Kontext 144
3.5 Herausforderungen einer sprach- und textbezogenen Emotionsforschung 148
3.6 Methodenreflexion I: Zur Kommunikationssituation und Zuschreibung von Emotionen im Briefroman 157
4 Historische, gattungstypologische und mediale Betrachtungen zur Versprachlichung von Emotionen in Briefroman und Brief 163
4.1 Manifestationen der Emotion in Rousseau, Goethe und Foscolo im Kontext von Niklas Luhmanns Liebessemantiken 164
4.1.1 Liebessemantik und Attributionskonflikt als Einflussfaktoren der Liebeskommunikation 167
sozialen Reflexivität Anfang des 19. Jahrhunderts 168
4.1.3 Der Liebescode im Briefroman des 18. Jahrhunderts 171
4.2 Mimesis, Subjekt, Rezeption, Natürlichkeit und Brief: Epistemologische und gattungstypologische Betrachtungen zu Emotion und Briefroman 174
4.2.1 Die Frage nach dem epistemisch bedingten Mimesis-und Subjektivitätskonzept 176
4.2.2 Die Frage nach der Identifikationsstiftung und der Illusionsbrechung 188
4.2.3 Die Frage nach der narrativen und medienästhetischen Weise Bewusstsein zu erzählen 191
4.2.4 Fazit zum Forschungsstand 197
4.3 Auf der Suche nach dem natürlichen Gefühlsausdruck 202
4.3.1 Brief, Emotion und das Natürlichkeitsparadigma 202
4.3.2 Vom Affekt zum Ausdruck: Der Si-vis-me-flere-Topos und das Konzept des Erhabenen als Weg in die literarische Moderne 208
4.3.3 Von den Emotionen im Gespräch zu den Emotionen im Brief 214
4.3.4 Kommunikationssituationen und Prozessierung von Emotionen im inszenierten und dargestellten Gespräch der ausgewählten Briefromane 218
4.3.4.1 Das inszenierte Gespräch zwischen Saint-Preux und Julie (Rousseau) 220
4.3.4.2 Das inszenierte Gespräch zwischen Werther und Wilhelm (Goethe) 225
4.3.4.3 Das inszenierte Gespräch zwischen Jacopo und Lorenzo (Foscolo) 227
4.3.4.4 Das dargestellte Gespräch zwischen dem Briefschreiber Saint-Preux und Julie (Rousseau) 230
4.3.4.5 Das dargestellte Gespräch zwischen dem Briefschreiber Werther und Lotte (Goethe) 232
4.3.4.6 Das dargestellte Gespräch zwischen dem Briefschreiber Jacopo und Teresa (Foscolo) 233
4.3.5 Emotionalisierungsstrategien mittels Nähe und Distanz zwischen schreibenden Figuren, handelnden Figuren sowie Leserin und Leser 235
4.4 Methodenreflexion II : Der literarisierte Brief des Briefromans im Fokus 240
4.4.1 Kommunikationssituation im literarisierten Brief des Briefromans 241
4.4.2 Modell zur Analyse von Emotionsmanifestationen im literarisierten Brief 245
4.4.3 Methodenbeschreibung 246
4.4.4 Exkurs: Die Idylle als tertium comparationis und ursprüngliches Naturszenario 253
4.4.5 Das Analysekorpus 258