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Animal homificans

Normativität von Natur und Autorisierung des Politischen in der europäischen Tierepik des Mittelalters

Glück, Jan

Germanisch-Romanische Monatsschrift. Beihefte, Bd. 104

2021

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Die Rezeption der ‚Politik‘ des Aristoteles im späten 13. Jahrhundert mit der Konzeption des Menschen als ‚animal sociale et politicum‘ (Thomas von Aquin) gilt als ein initiales Moment der politischen Theoriebildung in Europa. Entwürfe sozialer und politischer Ordnung unter Rekurs auf politische Anthropologien hat es aber zuvor schon gegeben: So wird in der vorliegenden Studie mit der mittelalterlichen Tierepik eine Erzähltradition untersucht, die in immer neuen Überblendungen von Tierlichem und Menschlichem eigenständige Ansätze zur Vermittlung von Natur und Norm begünstigt und dabei Anthropologien hervorbringt, die eine spezifisch narrative und erstaunlich offene Reflexion des Politischen anstoßen. Dieser tierepische Diskurs des Politischen wird hier von seinen Anfängen in den lateinischen Tierepen über den ‚Roman de Renart‘ und seine volkssprachlichen Adaptationen bis zu Ramon Lulls ‚Llibre de les bèsties‘ und seiner extravaganten Konzeption des Menschen als ‚animal homificans‘ verfolgt.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Umschlag Umschlag
Titel 3
Impressum 4
Inhaltsverzeichnis 5
Vorwort 9
Zur Einführung: Natur als Argument in Entwürfen sozialer und politischer Ordnung 11
1 Naturalistic fallacies 11
2 Natur und politische Ordnung im ‚Policraticus‘ des Johannes von Salisbury 17
2.1 Ein Staat nach dem Gleichnis der Natur 18
2.2 Norm und Normativität der Natur 21
2.3 Naturförmigkeit vor und nach der Übersetzung der ‚Politik‘ des Aristoteles 23
3 Entwürfe sozialer und politischer Ordnung im tierepischen Erzählen 28
I Das tierepische Erzählverfahren 31
1 ‚Rara fabella‘ und ‚mendosa carta‘ 31
2 Tradition und Innovation: von der Fabel und dem Tierepos 37
3 Die Verselbstständigung erzählter Welten 43
3.1 Die Hoftagsfabel: ‚Λέων καὶ λύκος καὶ αλώπηξ‘ 44
3.2 Tierepisches Erzählen? ‚Fabula de aegro leone‘ 48
3.3 Exzentrische Bahnen zwischen erzählter Welt und Wirklichkeit 54
3.4 Verselbstständigung durch Eigenzeitlichkeit: ‚Ecbasis captivi‘ und ‚Ysengrimus‘ 56
3.4.1 ‚Ecbasis captivi‘: Mythisierung der Metadiegese 57
3.4.2 ‚Ysengrimus‘: Zeit und Erinnerung 60
4 Die Plastizität der tierepischen Figuren 64
4.1 Mensch und Tier, erzählte Welt und Wirklichkeit 65
4.2 ‚Ecbasis captivi‘: Ein Tierepos ohne Tiere 73
4.2.1 Ein ‚forstrarius‘ ist noch lange kein Wolf 74
4.2.2 Die Figurgefüge und das Erzählen in Schichten 78
4.3 ‚Ysengrimus‘: Problematisierungen der anthropologischen Differenz 80
4.3.1 Ysengrimus und der Wolf 81
4.3.2 Theriomorphe Figur, anthropomorphe Gewalt 86
4.3.3 Vom Fühlen mit dem Tier zu einem Denken mit Tieren 89
5 Anthropologische Differenz und Reflexion des Politischen 92
5.1 Politische Anthropologie in klerikalen und laikalen Kulturen 95
5.2 ‚Ysengrimus‘: Eine tierepische Konzeption sozialer und politischer Ordnung 99
II Aporien des Politischen 101
1 Soziale und politische Dimensionen füchsischer Klugheit: ‚Reinhart Fuchs‘ 101
1.1 Die Naturförmigkeit klugen Handelns des Fuchses 103
1.2 Die konzeptionelle Erweiterung situativer Klugheit 107
1.3 Normativität und Autorität von Natur 110
1.4 Die Aporie des Politischen 114
2 Der verstörende Blick des Fuchses: ‚Renart médecin‘ 117
2.1 Die Feudalisierung der tierepischen erzählten Welt 121
2.2 Eine Aporie des politischen Diskurses 130
3 Ein Ansatz zum Ausgang aus der Aporie des Politischen: ‚Renart empereur‘ 136
3.1 „Anthropomorphisme complet“ und irreduzible Tierlichkeit 139
3.2 Endzeit: Renarts Schlacht um die Macht im Tierreich 146
3.3 Zurück zu den Anfängen: Renart als Fuchs? 148
3.4 Königtum in der post-organologischen Welt 156
4 Antifundamentalistisches tierepisches Erzählen 158
III Autorisierung des Politischen 161
1 Herbivore werden: ‚Rainaldo e Lesengrino‘ 161
1.1 Die Normativität von Natur in Textzeuge U 163
1.2 Die Autorisierung des Politischen in Textzeuge O 171
1.3 Dekonstruktion statt Destruktion 175
2 Tier werden: ‚Le Couronnement de Renart‘ 176
2.1 Ein Geflecht von Verbindungen: die Infektion der Wirklichkeit 178
2.2 Renarts ontologische Raffinesse 180
2.3 Eine Normativität von Natur zweiter Ordnung 185
2.4 Die Autorisierung politischer Theorie und Praxis 191
2.5 Eine hantologische Betrachtung der Natur 197
3 Mensch werden: Ramon Lulls ‚Llibre de les bèsties‘ 198
3.1 Der ‚Llibre de les bèsties‘ als Teil des ‚Llibre de meravelles‘ 202
3.1.1 Literarische Anthropologie 204
3.1.2 Narration und Wissen 207
3.1.3 Lull und das tierepische Erzählverfahren 212
3.2 Die Reflexion des Politischen im ‚Llibre de les bèsties‘ 219
3.2.1 Die politische Funktionalität von Klugheit (‚maestria‘) 222
3.2.2 Der Löwe: realer Fleischfresser, politischer Herbivore 225
3.2.3 Politische Zoologie – politische Anthropologie 228
3.2.4 Postfundamentalismus im Mittelalter? 234
Schlussgedanken: ‚animal homificans‘ 237
Literaturverzeichnis 243
Quellen 243
Forschung 246
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