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Poetik des Aufschubs

Augustinus, Dante und die antiken Klassiker in Petrarcas ‚Canzoniere‘

Regn, Gerhard

Neues Forum für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Bd. 60

2022

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Die vorliegende Studie interpretiert Petrarcas Lyrikbuch als augustinische Konfession. Im Unterschied zu den ‚Bekenntnissen‘ des Augustinus erfolgt im ‚Canzoniere‘ die Rückschau auf die erotischen Verstrickungen der frühen Tage durch den gealterten Dichter, der die (angeblich) in der Vergangenheit entstandenen Gedichte als poetische Testimonien seines ‚Jugendirrtums‘ dergestalt arrangiert, dass sie Bekenntnischarakter gewinnen. Zentral dafür ist die Engführung der spiritualisierten Minnekonzeption dantesker Provenienz mit dem Rekurs auf die antiken Erotiker. Auf diese Weise wird auch der Schluss des ‚Canzoniere‘ neu lesbar: Die Palinodie der Laura-Liebe ist keine augustinische Konversion, sondern die Ermöglichungsbedinung für eine Selbstinszenierung des gekrönten Dichters, der mit seinem lyrischen Bekenntnisbuch das ethisch unterfütterte Gespräch mit den Nachgeborenen sucht.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Umschlag Umschlag
Titel 3
Impressum 4
Inhaltsverzeichnis 7
Vorwort 11
1 Augustinus, Dante und die antiken Klassiker: Leitfragen der ‚Canzoniere‘-Interpretation 13
1.1 ‚Santagatas‘ Canzoniere 13
1.2 Petrarcas ‚Original‘: Der Text und seine historisch möglichen Leser 22
1.3 Konversion und Konfession 35
1.4 Autobiographie und Fiktion 54
1.5 Ganze Fragmente: Zum Verhältnis von Einzelgedicht und Gedichtverbund 67
2 ‚Rime sparse‘ und andere Kleinigkeiten: Der ‚Canzoniere‘, die Briefsammlungen und das ‚Secretum‘ (zu ‚RVF‘ I) 73
2.1 Die Fokussierung des Ich: Seelenporträt, Affektprogramm und Stilregister 74
2.2 Mündlichkeit und Schriftlichkeit 89
2.3 Petrarcas Koffer: Eine Anekdote über den Konnex von volkssprachlicher Lyrik und humanistischer Literatur (‚Fam‘. I 1, 3-11) 92
2.4 Poetologische Markierungen: ‚rime sparse, sparsa carmina, nugae‘ und die Formierung eines humanistisch perspektivierten Gattungsensembles 102
2.5 Reue und Rechtfertigung: Der ciceronianische Eklektizismus und die Funktion der forensischen Rhetorik 109
2.6 Der offene Schluss des ‚Secretum‘ im Epilog des ‚Canzoniere‘: Ruhmsucht und halbierte Konversion 122
3 1327, am 6. April, zur Morgenstunde: Die ‚cogitatio amoris‘ zwischen Zeugnis, Konfession und Fiktion (zu RVF CCXI, CCCXXXVI und III) 141
3.1 Modalitäten des Bekennens: Augustinus’ ‚Confessiones‘ und Petrarcas ‚Canzoniere‘ 141
3.2 Lyrik als ‚historia‘: Die Annalen der Laura-Liebe und die Poetik der Zeitangaben 148
3.3 Petrarcas Karfreitag: Erinnerung, Rhetorik der Rechtfertigung und Passionsphantasma 165
3.4 Der 6. April 1348 und der Ausfall christlicher Symbolik 180
3.5 Die ‚cogitatio amoris‘ und der Seinsstatus der Seelenbilder 185
3.6 Rhetorik als Fiktionsgenerator – eine Anmerkung zum Fiktionsbegriff der Vormoderne 192
4 Im Paradies der Erinnerung: Poetik der Unbestimmtheit, literarische Memoria und augustinisches Sündenbekenntnis (zu ‚RVF‘ CXXVI) 203
4.1 Sprechsituation, Fiktion und Minnemeditation: Petrarcas Poetik der Apostrophe 208
4.2 Zwischen Properz und Dante – die Konditionierung der Minnemeditation durch die literarische Memoria 220
4.3 Erinnerung, ‚compositio‘ und rhetorische Evidenz: Techniken fiktionaler Vergegenwärtigung 227
4.4 Die imaginierte Vision: Das irdische Paradies im ‚Canzoniere‘ 232
4.5 Konfession, Intertextualität und Sammlungskonstitution 237
5 E in grüner Lorbeer, eine edle Säule: Die Herrin, der Kardinal und die Architektur des ‚Canzoniere‘ (zu ‚RVF‘ CCLXVI und CCLXIX sowie ‚RVF‘ CCCLIX bis CCCLXII) 249
5.1 Eine Geschichte von Sündenfall und Erlösung? Numerologie, Kalender und die Zweiteilung des ‚Canzoniere‘ 252
5.2 Petrarcas Ketten: Der doppelte Dienst, die Liebe und der Ruhm: ‚RVF‘ CCLXVI 268
5.3 Aufschub und Selbsttäuschung: ‚RVF‘ CCLXIX 286
5.4 Die Ambivalenzen des Endes: Zeit, Natur und Gnade 295
6 Amor schreibt ins Herz: Die Namen der Herrin, die Zeichen des Dichters und die Fiktionalisierung der etymologischen Denkform (zu ‚RVF‘ V) 323
6.1 Namensinterpretation, etymologische Denkform und die Funktion der poetischen Doppelung 328
6.2 Namensrealismus und Poetik des Heils bei Dante: ‚Io mi senti’ svegliar dentro allo core‘ (VN 15, 7–9) 341
6.3 ‚res sunt consequentia nominum‘: Namensinterpretation als Instrument poetischer Selbstermächtigung 354
7 Auf zum Helikon! Der Humanist, die Minnedame und die Helden der Moderne (zu ‚RVF‘ VII und ‚RVF‘ CLXXXVI) 369
7.1 Der Humanist als Held 369
7.2 Komposition und Exegese: Der Subzyklus ‚RVF‘ VII–X im erweiterten Prolog 381
7.3 Überblendung: Das stilisierte Fremdporträt als Instrument der Selbstdarstellung 397
7.4 Petrarca, die Colonna und Livius 404
7.5 Ein ungeschliffen’ Lied? Laura, Scipio, und die Heldenlyrik im ‚volgare‘ 414
8 Der Schatten des Kaisers: Rom-Kult und frühneuzeitlicher Nationalismus (zu ‚RVF‘ CXXVIII) 435
8.1 Krieg und Frieden: ‚Italia mia‘ im Sammlungskontext 436
8.2 Politische Rhetorik: Alte Römer, moderne Italiener und transalpine Barbaren 446
8.3 Politik im Horizont der Heilsgeschichte: Die Italien-Invektive in Dantes ‚Purgatorio‘ 460
8.4 Petrarca, der Urslinger und die Kaiser des ‚Sacrum Imperium‘ 464
8.5 Der augustinische Gott, die römische Tugend und der Ausfall der Heilsgewissheit 474
9 Feigenbaum und Buche: Augustinische Konversion und poetische Berufung (zu ‚RVF‘ LIV) 477
9.1 Petrarcas Konversionserzählungen: Augustinus, Paulus und Dante 479
9.2 Der falsche Baum: Konversion, Selbsttäuschung und die ‚narrative‘ Funktion der Intertextualität 499
10 Laura wartet: Eros und Eschatologie in den ‚rime in morte‘ (zu ‚RVF‘ CCCII) 513
10.1 Konzeptuelle und chronologische Koordinaten der Liebe nach dem Tod 513
10.2 Rendezvous im Jenseits: Minnemeditation und Vision bei Petrarca und Dante (‚RVF‘ CCCII und ‚VN‘ 30, 10–3) 518
10.3 Petrarcas Venushimmel und seine Intertexte: ‚RVF‘ CCLXXXVII, II ‚Cor‘. 12, 2–4 und ‚Pd‘ VIII–IX 531
10.4 Die Auferstehung im Fleisch: Dogma und Phantasma 539
Liste der Abkürzungen 561
Bibliographie 563
Personenregister 589
Rückumschlag Rückumschlag