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Gestaltenreiches bald Gestaltenloses

Literatur- und Wissensgeschichte der Wolken

Greiner, Bernhard

Neues Forum für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Bd. 61

2024

Abstract

Wolken haben die Vorstellungs- und Denkkraft des Menschen von jeher bis heute bewegt, als Naturgebilde, die ihm das Leben verbürgende Wasser bereithalten, in Unwettern ihn bedrohen, als Durchgangsbereich von der materiellen irdischen Welt zur ideellen der Götter oder der Ideen. Als schwebende Paradoxien von Polymorphie und Amorphie, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Fassung und Unfassbarkeit markieren Wolken Grenzen des Repräsentierbaren und haben entsprechend immer neu künstlerische und proto- bis wissenschaftliche ‚Fassungen‘ angeregt. Das Buch stellt an ausgewählten, vor allem literarischen Beispielen von der europäischen Antike bis zur Gegenwart Gestaltungen dieses dem Menschen lange unverfügbaren und weiterhin nicht vollständig in seinem prozessualen Verlauf bestimmbaren Phänomens vor, auf das ein Doppel-Blick gerichtet wird: auf die jeweils entwickelten künstlerischen Strategien im Horizont des gegebenen Standes des meteorologischen Wissens.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover C
Titel 3
Impressum 4
Inhaltsverzeichnis 7
Aufblick: Wolken, ‚Meteora‘: Schwebende Paradoxien 11
I. Mythologie und Naturphilosophie: der ‚Nimbus‘ der Wolken in antiken Schriften und in der Bibel 21
1. Nimbus-Wolke und Wolken-Nimbus: Hans Magnus Enzensbergers Nachruf 21
2. Wolken in der griechisch-römischen Mythologie und Literatur: ‚Ilias‘ und ‚Odyssee‘ – Ixion (Pindar, Hyginus, Lukian, Exkurs zu Hacks) – Helena (Herodot, Euripides) – Io (Ovid, Aischylos) – ‚Aeneis‘ 25
3. Wolken in komischer Perspektive: Aristophanes’ ‚Ὄρνιθες / Die Vögel‘ und ‚Νεφέλαι / Die Wolken‘ 59
4. Antike Wolkenlehren: Meteorologische Theorien der Vorsokratiker und Aristoteles’ ‚Meteorologie‘ 81
5. Wolken in der Bibel: Theophanie am Sinai – Verklärung Christi – Raffael (‚Transfiguration‘) – Nietzsche (‚Die Geburt der Tragödie‘) 105
II. Kosmologie: ‚Naturalisierung‘ der Wolken in der frühen Neuzeit und metaphysische Rückbindungen in Wissenschaft und Literatur 125
1. Kopernikanische Wenden: der neue kosmologische Diskurs des 16. und 17. Jahrhunderts: Nikolaus Kopernikus – Johannes Kepler – Giordano Bruno 125
2. Im Zeichen des Grenzenlosen: Neue Wahrnehmungen der Wolken: Brunelleschi – Leonardo da Vinci – Shakespeare (‚Hamlet‘) – Gryphius (‚Leo Armenius‘) – Hoffmannswaldau (‚erotische Gedichte‘) 136
3. Schritte zu einer empirisch-naturwissenschaftlichen Meteorologie 186
a. Die Entwicklung von Instrumenten zur Erforschung der Atmosphäre als Voraussetzung systematischer Wetterbeobachtung: Galilei und das Fernrohr – Thermometer – Barometer – Hygrometer – Netzwerke systematischer Wetterbeobachtung 186
b. Theoretische Grundlegung der Meteorologie als spezifisches Forschungsfeld der Physik: René Descartes (‚Les Météores‘) – der ‚Discours‘ ‚Don Quijote‘ über die ‚Selbstgewissheit‘ des Fantasten 211
4. Wolkendichtung im Umfeld der Physikotheologie des frühen 18. Jahrhunderts: Barthold Heinrich Brockes (‚Irdisches Vergnügen in Gott‘) 230
III. Morphologie: physikalische, poetische und bildnerische ‚Erkundungen‘ der Wolken in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 249
1. Luft- und Gasforschung im 17. und 18. Jahrhundert: Guericke – Boyle – Hales – Cavendish – Priestley – Lavoisier 249
2. Luke Howards Morphologie der Wolken auf physikalischer Grundlage und die heutige wissenschaftliche Klassifizierung der Wolken 257
3. Johann Wolfgang Goethe: Wolkendichtung und Witterungslehre: ‚Ganymed‘ – ‚Ilmenau‘ – ‚Euphrosyne‘ – Italienische Reise – ‚Wolkengestalt nach Howard‘ / Goethes Wolkenlehren – Wolken als Medium des Helena-Bezuges Fausts – ‚Bergschluchten (Faust II)‘ 279
4. Wolkenpoesie der deutschen Romantik: Eichendorff (‚In der Fremde, Zwielicht‘) – Heine (‚Die Götter Griechenlands‘) 332
5. Wolken an und für sich: Wolkenkampagnen in der deutschen und englischen Malerei der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: ‚Cozens‘ – ‚Friedrich / Goethe‘ – ‚Constable‘ – ‚Dillis‘ – ‚Dahl‘ – ‚Carus‘ – ‚Blechen‘ – ‚Ruskin / Turner‘ 345
6. Wolkenpoesie der englischen Romantik: Wordsworth (‚The Daffodils‘) – Shelley (‚The Cloud, Ode to the West Wind‘) 399
IV. Wolken-‚dynamis‘ und -‚poiesis‘: Wolken in wissenschaftlichen und literarischen Bezügen im 19. und 20. Jahrhundert 431
1. Wolken als Indikatoren komplexer atmosphärischer Prozesse: Die Rückbindung der Wolkenerscheinungen in die ‚Ordnungen‘ der als Wissenschaft sich etablierenden Meteorologie (F. Ludwig Kämtz, H. Wilhelm Dove, Andreas Baumgartner, Alexander von Humboldt) 431
2. Stereoskopie der Wolken. Die Verknüpfung szientifischer und literarischer Meteorologie in Stifters Erzählen ‚Das Haidedorf‘ – ‚Kazensilber‘ – ‚Der Nachsommer‘ 462
3. Den Wolken nahe: Ballonfahrten. Ihre Erfindung und Zeugnisse erster Fahrten: Rozier, Charles, Jungius – Literarische Aneignungen: Jean Paul (‚Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch‘), Stifter (‚Condor‘), Maupassant (‚Le Horla, Sur les nuages‘) 509
4. Tropik der Wolken. Hölderlin (‚Scardanelli-Gedichte‘) – Baudelaire (‚Les Fleurs du Mal, ‚Le Spleen de Paris‘) – Brecht (‚Psalmen, Erinnerung an die Marie A., Terzinen über die Liebe‘) 578
5. Wolken und Worte – Wortwolken. Hans/Jean Arp (‚die wolkenpumpe‘) – Walter Benjamin (‚Berliner Kindheit um neunzehnhundert‘) – Elfriede Jelinek (‚Wolken.Heim.‘) 672
V. Wolken als ‚Figur des Denkens‘: Philosophische Nobilitierungen der Wolken 751
1. Annäherungen. Kant (‚Kritik der Urteilskraft‘) – Kierkegaard (‚Om Begrebet Ironi med stadigt Hensyn til Socrates / Über den Begriff der Ironie. Mit ständiger Rücksicht auf Sokrates‘), Nietzsche (‚Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne‘) 751
2. Streuungen. Popper (‚Of Clouds and Clocks / Über Wolken und Uhren‘) – Lyotard (‚Peregrinations / Streifzüge; La condition postmoderne / Das postmoderne Wissen‘) – Serres (‚Hermès IV: La distribution / Hermes IV: Verteilung; La naissaance de la physique dans le texte de Lucrèce‘) 772
Anhang 1: Einteilung der Wolkenformen im ‚Internationalen Wolken-Atlas‘ (Paris 1896). Die international verwendete Nomenklatur der Wolken 821
Anhang 2: Die Vorstellung ‚Wolke‘ im Umfeld der Technologie ‚Cloud Computing‘ 825
Bibliographie (Quellen – Forschung – Bildernachweis) 829
Bildteil 867
Backcover 885