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Die Geburt des fiktionalen Romans aus dem Geiste des Märchens

Knapp, Fritz Peter

Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Bd. 53

2014

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Entgegen einer in der Forschung verbreiteten Ansicht kennt die mittelalterliche Poetik sehr wohl die reine Fiktionalität des Erzählens, beschränkt sie aber auf Fabel und Allegorie (‚fabula‘), wo bildhaft auf die Wirklichkeit verwiesen wird, und empfiehlt sonst deren unmittelbare Repräsentation (‚historia‘). Das Ergebnis ist aus unserer Sicht Pseudo-Historie, welche ein mehr oder minder solides Gerüst historischer Fakten durch Fiktion nach dem Prinzip der Wahrscheinlichkeit ergänzt. Dahinter steht die mittelalterliche christliche Überzeugung von der Einzigkeit und Vollkommenheit der gottgeschaffenen Wirklichkeit, die der Mensch weder verdoppeln noch ersetzen, sondern nur nachahmen könne. Erst in der Neuzeit werden der Glaube daran erschüttert und der Mensch frei, sich eine eigene ‚Welt im Kopf‘ zu schaffen. Das Ergebnis ist schließlich der moderne Fiktionskontrakt: Etwas wird erzählt, als ob es wahr sei, obwohl alle wissen, daß es nicht wahr ist, dieses Als-ob aber akzeptieren. Trotzdem hat – dies die hier vertretene These – Chrétien de Troyes im 12. Jh. in bewußter Umgehung der Poetik seiner Zeit aus dem Geist des subliterarischen areligiösen Märchens den rein fiktionalen Artusroman kreiert, der jedoch von den allermeisten Zeitgenossen und Nachfahren doch wieder nur für ‚historia‘ gehalten wurde, so daß die moderne Fiktionalität erst aus der parodistischen Verkehrung der Pseudo-Historie durch Ariost und Cervantes und endgültig in der Aufklärung durch Sterne und Diderot entstehen konnte

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Vorbemerkung 5
Mimesis und Fiktion im Rahmen der antiken Weltanschauung 7
Mimesis und augustinische Geschichtsauffassung 10
Die Geschichte als poetologisch privilegierter Gegenstand der epischen Dichtung 12
Haugs These von Entdeckung der Fiktionalität im 12. Jahrhundert 16
Vom Spätmittelalter zur Aufklärung – der Dichter als alter deus 21
Der Geist des Märchens und die Geburt des fiktionalen Romans im 12. Jahrhundert 25
Fiktionalität in Renaissance und Barock? 32
Eine Lücke in der‚ Theorie des Romans‘ von Georg Lukács? 37
Literaturverzeichnis 43
Texte 43
Untersuchungen 44