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Naturalismus und Kulturkampf in Spanien

Medizinisches Wissen und Pathologisierung des Glaubens im Roman des ‚naturalismo radical‘

Schlieper, Hendrik

Studia Romanica, Bd. 179

2014

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Mit dem ‚naturalismo radical‘ rehabilitiert die Arbeit eine überaus erfolgreiche, jedoch aus ideologischen Gründen aus dem offiziellen Kanon ausgeblendete Variante des spanischen Naturalismus. Anhand der Romane von Eduardo López Bago (1855–1931) und Alejandro Sawa (1862–1909) werden hierbei Strategien untersucht, mit denen das Wissen der neuen Leitwissenschaft Medizin narrativiert und für eine – ‚wissenschaftlich sanktionierte‘ – Kritik an der katholischen Glaubenswelt instrumentalisiert wird. Damit kann zugleich die bislang in Abrede gestellte bedingungslose Umsetzung der Romanpoetik des frühen Émile Zola im spanischen Naturalismus nachgewiesen werden. Die komplexen Gegenstände der Analyse stellen die Arbeit übergreifend in den Kontext des europäischen Kulturkampfes, jener transnationalen Konfrontation von ‚Wissen‘ und ‚Glauben‘ im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, deren politische und soziale Relevanz eine kulturwissenschaftlich ausgerichtete Forschung immer deutlicher hervorhebt.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Inhalt 7
I. Spanischer Naturalismus, ‚Wissen‘ und ‚Glauben‘: Forschungsstand und -desiderate 11
1. Gegenstand und Zielsetzungen dieser Arbeit 11
2. Kulturkampf: Wunder und Zeichen des 19. Jahrhunderts 12
3. Kanon und Kanonkritik: Die Janusköpfigkeit des spanischen Naturalismus 21
4. Othering und Resignifikation 35
5. Zu Struktur und Vorgehen 40
II. Autoren und Korpus 43
1. „La piedra del escándalo“: Eduardo López Bago 43
2. „Romantisches Temperament“ und „moderne Nerven“: Alejandro Sawa 50
3. Die „filonaturalistas“ Enrique Sánchez Seña, José Zahonero, Remigio Vega Armentero und Eugenio Antonio Flores 58
III. Methodische Grundlagen: Semantischer Transformationismus und Interdiskurs 63
IV. Feind- und Wahlverwandtschaften: Theologie – Roman – Medizin 71
1. „Diluvios de tinta venenosa“: Theologie und Roman 71
2. Theologie und Medizin 80
2.1. Wissen – Glauben – Körper 80
2.2. Die katholische Semantisierung des Körpers 80
2.3. Die Konfiskation des Fleisches 85
3. Medizin und Roman 92
3.1. Medikalisierung der Literatur, Literarisierung der Medizin 92
3.2. Émile Zola: Kontrolle und Transgression 95
4. Gendering von ‚Wissen‘ und ‚Glauben‘ 101
V. Die Romanpoetik des naturalismo radical und ihre Kon-Texte 109
1. Die spanische Naturalismusdebatte: Eine Bestandsaufnahme 109
2. Menschenbild und Wirklichkeitsverständnis der naturalistas radicales 115
3. „Un arte que se une á la ciencia“ 117
4. „Nosotros en la barricada y vosotros en la Academia Española“: Zur Selbstverortung der naturalistas radicales 122
4.1. Selbstverortung durch Anschluss 122
4.2. Selbstverortung durch Abgrenzung 129
5. „De divino en humano“: Semantische Resektion 135
VI. Ärzte und Priester: Diskurskonkurrenten im naturalismo radical 147
1. ‚Le sacre du médecin‘: Neue und alte Propheten im 19. Jahrhundert 147
2. Schlaglichter auf La Prostituta 150
2.1. Weihrauch und Äther 150
2.2. Begehren und ‚Blutrache‘ 153
2.3. Fallgeschichte und Fetischismus 157
3. Crimen legal: Geburt und Kulturkampf 163
3.1. „¡Viva! al Syllabus“: Die fatale Konversion des doctor Nieto 163
3.2. Ärzte und Weltdeutungen im Widerstreit 166
3.3. Rafaela, säkulare mater dolorosa 169
VII. Die Sexualisierung des Klerus 173
1. Zölibat und Zölibatskritik 173
2. Der Priesterroman des 19. Jahrhunderts 177
2.1. „Un fort beau sujet de drame“ 177
2.2. Pepitas Schatten 179
3. „Delicta carnis“: López Bagos Pathologisierung des Zölibats 183
3.1. El Cura: Penetrationssujet und antikatholischer Bibelkommentar 183
3.2. El Cura: Zölibatskritik im Medium der novela médico-social (mit einem Ausblick auf Zahoneros El Señor Obispo) 188
3.3. El Confesonario: El sacerdote, la mujer y la familia 197
3.4. Sollizitation und Satyriasis 202
3.5. Die Selbstaufhebung des Sujets im Zeichen der Casta meretrix 205
4. Noche: Sollizitation und Sexualpathologie 207
VIII. Heterotopien der Lüste 213
1. Katholische Räume und bürgerliche Imagination 213
2. La Monja: Verführung a lo divino 216
3. La Monja: „Ha muerto hecha una santita“: Melitas Schwindsuchttod 224
4. Criadero de curas: Passions-Parodie und Homosexualität faute de mieux 230
IX. Die Pathologisierung der Frömmigk 239
1. Frömmigkeit und Hysterie: Die École de Charcot und ihre spanische Rezeption 239
2. ,Hysterischer Glauben‘ im spanischen Naturalismus 246
2.1. La Regenta: Claríns Suggestionspoetik 246
2.2. El Cura/El Confesonario: Frömmigkeit und fehlgeleitete Sexualität 254
2.3. El Confesonario/La Monja: Class und Gender (mit einem Ausblick auf Flores’ La Histérica) 261
3. Mütterlichkeiten im Widerstreit 267
3.1. Von Maria zum ángel del hogar 267
3.2. La Monja: Soledad und die „Abrechnung mit Maria“ 271
X. Schlussbetrachtungen 277
1. Zusammenfassung der Ergebnisse: Unbedingtes ‚Wissen-Wollen‘ und deviante Dialogizität 277
2. Waffenwechsel: Der naturalismo radical und seine Folgewirkungen (mit einem Ausblick auf Senders Réquiem por un campesino español) 283
Bibliographie 289
Anhang 313