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Scham und Schrift

Strategien literarischer Subjektkonstitution bei Duras, Goldschmidt und Ernaux

Komorowska, Agnieszka

Studia Romanica, Bd. 191

2017

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Das Gefühl der Scham mag angesichts feuilletonistischer Beschwerden über die Schamlosigkeit der zeitgenössischen Literatur als überholtes Phänomen gelten. Die Studie argumentiert hingegen, dass sich im Rahmen des ‚retour du récit‘ in der französischen Literatur seit den 1970er Jahren ein Strang literarischen Erzählens ausbildet, in dem die Scham zum Brennglas für zeitgenössische Umbrüche wird. Dies geschieht zum einen in Rückbindung an innerliterarische Veränderungen, zum anderen in Bezug auf historische Ereignisse, in denen sich das Subjekt mit einer spezifisch nachmodernen Scham konfrontiert sieht. Hierzu gehören das Erbe der Shoah, die Kolonialgeschichte und Beschämungen spätkapitalistischer Lebenswelten. Unter dem Begriff der ‚hontofiction‘ werden Erzählungen von Marguerite Duras, Georges-Arthur Goldschmidt und Annie Ernaux untersucht. Das Subjekt, das u.a. vom ‚nouveau roman‘ zu Grabe getragen wurde, kehrt hier nicht als ein ‚starkes‘ Subjekt zurück, sondern reflektiert in der Art seiner Rückkehr die eigene Brüchigkeit.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover Cover
Titel 3
Impressum 4
Danksagung 5
Inhalt 7
Einleitung 9
1 Schamtheorien. Schreibweisen einer „hontologie“ 37
1.1 Gefühlsbegriffe, Schambegriffe 37
1.2 Theorie der Scham 42
1.2.1 „ce sentiment aigu d’être rivé“ – Philosophie der Scham 42
1.2.2 Verdrängen, Begehren, Maskieren. Semantik der Scham in der Psychoanalyse 54
1.3 Soziologie der Scham. Internalisierung gesellschaftlicher Macht 67
2 Marguerite Duras. Strategien autofiktionalen Schreibens zwischen "honte, pudeur" und "impudeur" 79
2.1 „un sens aussi aigu de l’impudeur du langage“ – Eine Poetik des Sprechens in "Les Cahiers de la guerre" 83
2.1.1 Sprache, Körper und Gewalt 84
2.1.2 "Parole pudique": Das Verbot des „bavardage“ und seine Transgressionen 89
2.1.3 Die "poésie d’injures": Von der „hate speech“ zur mystischen Dichtung 92
2.2 Von der Scham zum Begehren (und zurück) – Umbesetzung von Gefühlen in "L’Amant" 101
2.2.1 Die zwei Bilder des Mädchens als „équivoque incarnée“ 103
2.2.2 Blick, Scham, Begehren 107
2.2.3 Schreiben und Begehren: Subjektkonstitution als Schriftstellerin 112
2.3 „Le mot ‚écrit‘ ne conviendrait pas.“ – Strategien autofiktionalen Schreibens zwischen Scham und Schamlosigkeit in "La douleur" 114
2.3.1 Beschwörungsformeln und emotionaler Pakt 115
2.3.2 Die Diskrepanz zwischen Körper und Stimme 121
2.3.3 Autofiktion und Zeugenschaft bzw. Scham im Schatten der Shoah 125
3 Georges-Arthur Goldschmidt. Räume der Scham und die „ruse“ des bestraften Narziss 133
3.1 "Le miroir quotidien": Versteck und Spur als Leib-Räumlichkeit von Angst und Scham 138
3.1.1 Scham und Versteck: Unheimliche Bilder der Shoah 141
3.1.2 Spurensuche und Erinnerung 146
3.1.3 Das Unheimliche der Scham 151
3.2 "Un jardin en Allemagne": Die Urszene der Scham 156
3.2.1 Vater, Mutter, Kind: Scham, Schaulust und Blickverbot im Familienroman 158
3.2.2 Bühne und Bild 167
3.2.3 Die Disziplinierung des Kindes 171
3.2.4 Scham und Schuld 173
3.3 "La forêt interrompue": Strategien der Beschämung und die Widerständigkeit des Subjekts 176
3.3.1 Das Theater der Bestrafung 178
3.3.2 Das Subjekt der Beschämung oder der Triumph des bestraften Narziss 184
4 Annie Ernaux. Objektivierungsstrategien und soziale Scham 191
4.1 Schmutziges Sprechen in "Les armoires vides" 196
4.1.1 Scham und Schmutz. Diskurse sexueller und sozialer "saleté" und Ansteckung 200
4.1.2 Im Affekt: Hass, Scham und sprachliche Gewalt 207
4.1.3 „sans affects exprimés“ – Von der „hate speech“ zur „écriture plate“ 211
4.2 "La honte" – autoethnographisches Projekt und objektive Darstellung der Scham 215
4.2.1 Noch eine Urszene: Wiederholung und Verschiebung 217
4.2.2 Raumsoziologie und Ethnographie der Scham 223
4.2.3 Scham und Autorschaft 231
4.3 "Les années" – Der kollektive Roman und die Kulturgeschichte der Scham 237
4.3.1 Eine Gefühls- und Kulturgeschichte Frankreichs seit der Nachkriegszeit 239
4.3.2 Das Verhältnis von individueller und kollektiver Scham 253
5 Schlussbetrachtungen 259
6 Literaturverzeichnis 267
Backcover 286