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Sprache und Identität einer postkolonialen Gesellschaft im Zeitalter der Globalisierung

Eine Studie zu den französischen Antillen Guadeloupe und Martinique

Reutner, Ursula

Kreolische Bibliothek, Bd. 20

2025

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Kreolsprachen finden ein verstärktes Interesse der Linguisten, nicht zuletzt, weil sie Sprachdaten von großem Wert bereitstellen. Die 1981 von Annegret Bollée begründete "Kreolische Bibliothek " hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch Texteditionen, Grammatiken und Wörterbücher die Kreolsprachen für die linguistische Forschung zu erschließen. Die Entstehung der Kreolsprachen aus dem Zusammentreff en unterschiedlicher Kulturen im Kontext der Sklaverei gibt ihnen eine Sonderstellung unter den Regionalsprachen Frankreichs. Erst die Regionalismusbewegung hat mit dem Stellenwert der Sprache als wertvollem Kriterium lokaler kultureller Identität die traditionelle französische Haltung zumindest offiziell modifiziert. In der Studie geht es darum, die Auswirkungen dieser Entwicklung im Sprachverhalten und Sprachbewusstsein in Guadeloupe und Martinique aufzuzeigen. Gespräche mit engagierten Persönlichkeiten und eine systematische Enquête unter Studenten ermöglichten, die derzeitige Verwendung von Französisch und Kreolisch zu charakterisieren und das heutige Sprachdenken zwischen regionalem Identitätsverständnis und globaler Verflechtung festzuhalten und zu analysieren. Das erstellte begriffliche und methodologische Instrumentarium trägt der besonderen Situation Rechnung und bringt dadurch für die Allgemeine Sprachwissenschaft weiterführende Definitionen von Diglossie und Sprachkonflikt. In Ausdifferenzierung des metasprachlichen Bewusstseins erweist sich die ideolinguistische Perspektivierung insgesamt als sehr nützlich und erfordert u. a. eine Anpassung im Verständnis des üblichen Kontinuums von Nähe und Distanzsprache an die neuen Gegebenheiten.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover U1
Inhaltsverzeichnis V
Vorwort XI
Einführung 1
1 Sozialgeschichte und Beschreibungsmodelle der sprachlichen Situation 5
1.1 Der historische Kontext als Ausgangspunkt 5
1.1.1 Beginn der Kolonisierung in der Siedlergesellschaft 5
1.1.2 Entstehung des Kreolischen in der Pflanzergesellschaft 7
1.1.3 Auswirkungen der Französischen Revolution 9
1.1.4 Abschaffung der Sklaverei und die Kolonialgesellschaft 12
1.1.5 Dekolonisierung durch Assimilation 14
1.2 Aspekte des soziokulturellen Kontextes 17
1.2.1 Auf der Suche nach der eigenen Identität: Négritude, Antillanité, Créolité 17
1.2.2 Zu Korpus und Status des Kreolischen 24
1.2.2.1 Korpus: Literatur, Printmedien, Lexikographie 24
1.2.2.2 Status: Werbung, audiovisuelle Medien, Verwaltung, Kirche 30
1.3 Grundlagen der Beschreibung der sprachlichen Situation 35
1.3.1 Zum Unterschied zwischen Sprachen und Dialekten als Teilbereich der Ideolinguistik 35
1.3.2 Die Facetten der Dekreolisierung: intra- oder transsoziale Ideound Autodekreolisierung vs. qualitative Dekreolisierung 37
1.3.3 Aspekte der Mehrsprachigkeit: Diglossie – Sprachkonflikt – Kontinuum – Interlekt 44
2 Zur Sprach- und Kulturpolitik Frankreichs 53
2.1 Aus der Geschichte des Erziehungswesens 53
2.1.1 Situation in der Kolonialzeit 53
2.1.2 Departementalisierung und Zentralismus 54
2.1.3 Erste Reformansätze 56
2.1.4 Über das Für und Wider von Kreolischunterricht: der Fall Martinique 58
2.1.4.1 Eine Analyse von Leserbriefen 58
2.1.4.2 Die Meinung von Lehrern und Schülern 61
2.2 Regionalsprachen in der Gesetzgebung 64
2.2.1 Frankreich und seine traditionellen Regionalsprachen 64
2.2.1.1 Von der Ablehnung zur ersten Toleranz im Zentralstaat 64
2.2.1.2 Die Dezentralisierung ab 1981 66
2.2.2 Frankreich und die kreolische Sprache und Kultur 68
2.2.2.1 Frankreich und seine Stiefkinder 68
2.2.2.2 Die Wende in den Jahren 2000/2001 71
3 Die Debatte um den CAPES de créole 75
3.1 Charakteristik der Kontrahenten und ihrer Positionen 75
3.1.1 Die Gruppe um Robert Chaudenson 75
3.1.2 Der GEREC-F 76
3.1.2.1 Das Prinzip der „déviance maximale“ 77
3.1.2.2 Die Graphie, ihre Verbreitung und der Diktatwettbewerb 80
3.1.2.3 Widerstände gegen die Sprachpolitik des GEREC-F 84
3.1.2.4 Der Kampf um die geistige Entkolonisierung 87
3.2 Chronologie der Ereignisse 90
3.2.1 Instaurierung des Concours und Reaktionen 90
3.2.2 „Un loup dans la bergerie“: Die Folgen der Differenzen zwischen IUFM und GEREC-F 92
3.3 Inhalt der Debatte 96
3.3.1 Konzeption des CAPES de créole 96
3.3.1.1 Die Bivalenz als französisches Problem 96
3.3.1.2 Die Art der Prüfungen 98
3.3.1.3 Zur Frage der Einheit der Kreolsprachen 100
3.3.2 Praktische Fragen bei der Durchführung des CAPES de créole 105
3.3.2.1 Der Umgang mit der Pluralität der involvierten Sprachen 105
3.3.2.2 Das Problem der Graphie 107
3.3.2.3 Die Frage des Ausdrucks: Wortschatz und Syntax 109
3.3.2.4 Die Zusammensetzung der Jury 111
3.3.2.5 Klagen über die Ergebnisse aus Martinique 114
3.3.2.6 Die Improvisation des Unterrichtsmaterials 118
3.3.3 Sinn und Zweck des CAPES de créole 120
3.3.3.1 Der Wettbewerb als Lösung der Schulprobleme? 120
3.3.3.2 Ausreichende Nachfrage nach Kreolischunterricht? 124
3.3.3.3 Ein Erlass zur Pazifizierung des GEREC-F? 127
3.3.3.4 Ein vorwiegend symbolischer Akt? 128
4 Methodik der Feldforschung 131
4.1 Methodischer Zugang zur Problematik 131
4.1.1 Vorwissen und qualitative Forschung 131
4.1.2 Wahl der Erhebungsmethoden 132
4.1.3 Konzeption der Interviews und mögliche Fehlerquellen 133
4.2 Vorbereitung und Durchführung der Studie 135
4.2.1 Wahl der Informantengruppe 135
4.2.2 Konkrete Durchführung der Interviews 137
4.2.3 Erhebungskontext, Nachbericht und Transkription 139
4.3 Auswertung der gewonnenen Informationen 142
4.3.1 Inhaltsanalyse, Darstellung, Vergleich 142
4.3.2 Vertiefende Fallinterpretation 143
5 Quantifizierende Ergebnisse der Enquête 145
5.1 Muttersprache 145
5.1.1 Erstsprache(n) 145
5.1.2 Aussagen zur Sprachkompetenz 151
5.1.2.1 Selbsteinschätzung 151
5.1.2.2 Sprachgebrauch und Wohlbefinden 154
5.1.3 Kulturelle Funktion und sprachliche Identifikation 155
5.1.4 Verständnis von Muttersprache bei den Studenten 157
5.1.5 Resümee 159
5.2 Aussagen zur Sprache in der Gesellschaft 162
5.2.1 Zur quantitativen Dekreolisierung: aktuell 162
5.2.1.1 Kreolophonität der Bevölkerung 162
5.2.1.2 Einsprachig frankophone Kinder 164
5.2.1.3 Einsprachig kreolophone Kinder 165
5.2.1.4 Gruppenspezifische Generationenunterschiede 166
5.2.1.5 Geschlechtsspezifische Unterschiede 167
5.2.2 Zur quantitativen Dekreolisierung: Zukunft 168
5.2.2.1 Voraussichtliche Erziehung der eigenen Kinder 168
5.2.2.2 Prognosen über die zukünftige Sprachensituation 172
5.2.2.3 Haltung zu einem eventuellen Aussterben des Kreolischen 174
5.2.3 Zur qualitativen Dekreolisierung 175
5.2.3.1 Generationenspezifische Varietäten 175
5.2.3.2 Existenz und Definition eines „vrai créole“ 177
5.2.3.3 Vorbildfunktion der audiovisuellen Medien? 180
5.2.3.4 Zur Frage einer kodifizierten Norm 181
5.2.4 Zur Variation der Kreolsprachen 183
5.2.4.1 Anzahl der Kreolsprachen 184
5.2.4.2 Unterschiede zwischen Martinique und Guadeloupe 185
5.2.4.3 Unterschiede zu Französisch Guyana 188
5.2.4.4 Unterschiede innerhalb Guadeloupes / Martiniques 189
5.2.5 Resümee 190
5.3 Ideolinguistik 193
5.3.1 Attitüdenlinguistik 193
5.3.1.1 Scham 193
5.3.1.2 Stolz 195
5.3.1.3 Vergnügen 198
5.3.2 Imagolinguistik 200
5.3.2.1 Generelle Vulgarität 200
5.3.2.2 Geschlechtsspezifische Vulgarität 203
5.3.2.3 Sprache oder Dialekt 204
5.3.3 Resümee 207
5.4 Kreolische Sprache und Kultur im Schulsystem 209
5.4.1 Eigene Schulzeit 209
5.4.2 Der Einbezug lokaler Besonderheiten 211
5.4.3 Kreolisch als Unterrichtsfach 214
5.4.3.1 Grundsätzliche Haltung 214
5.4.3.2 Zeitpunkt 217
5.4.3.3 Status 219
5.4.4 Kreolisch als Unterrichtssprache 221
5.4.4.1 Grundsätzliche Haltung 221
5.4.4.2 Zeitpunkt 225
5.4.5 Kreolisch im CAPES 227
5.4.6 Resümee 229
5.5 Gesprochenes Kreolisch 232
5.5.1 Situationeller Sprachgebrauch 232
5.5.1.1 Gespräche mit Familienangehörigen und Freunden im Vergleich 232
5.5.1.2 Gespräche mit Buchhändler(inne)n und Marktfrauen 236
5.5.1.3 Gespräche mit Verwaltungsangestellten 237
5.5.1.4 Sprachgebrauch in der Kirche 239
5.5.2 Präferenzen und eventuelle Desiderata 241
5.5.2.1 Präferenzen bei der Unterhaltungsmusik 241
5.5.2.2 Präsenz in den audiovisuellen Medien 244
5.5.3 Themenbedingte Sprachenwahl 246
5.5.4 Sprachenmischung 248
5.5.5 Resümee 249
5.6. Geschriebenes Kreolisch 252
5.6.1 Lektüre 252
5.6.1.1 Eigene Lektüreerfahrung 252
5.6.1.2 Kreolischsprachige Romane 254
5.6.1.3 Kreolischsprachige Zeitungen 256
5.6.1.4 Kreolischsprachige Übersetzungen 257
5.6.1.5 Kreolischsprachige Comics 259
5.6.1.6 Kreolischsprachige Gebrauchsanleitungen 260
5.6.1.7 Kreolischsprachige Werbeplakate 261
5.6.1.8 Kreolischsprachige Verkehrsschilder 263
5.6.1.9 Kreolischsprachige Formulare 265
5.6.2 Schriftliche Verwendung des Kreolischen 266
5.6.2.1 Situationen 266
5.6.2.2 Probleme 268
5.6.2.3 Diktat 270
5.6.2.3.1 Generelle Haltung 270
5.6.2.3.2 Eigene Erfahrung 272
5.6.2.3.3 Zukünftige Teilnahme 272
5.6.3 Resümee 273
5.7 Zweisprachigkeit und Individuum 277
5.7.1 Akzeptanz der Funktionsteilung 277
5.7.2 Erleben der Zweisprachigkeit 281
5.7.3 Zufriedenheit mit der Rolle des Kreolischen 282
5.7.4 Die Frage des Handlungsbedarfs 285
5.7.5 Mögliche Maßnahmen zur Aufwertung des Kreolischen 286
5.7.6 Beurteilung des Verhältnisses zwischen beiden Sprachen 291
5.7.7 Resümee und Evaluation 294
5.7.8 Konsequenzen für den Sprach(en)konflikt 296
6 Typologie 299
6.1 Der Lokalpatriot 299
6.2 Der Bodenständige 300
6.3 Der Zufriedene 302
6.4 Der Vorsichtige 303
6.5 Der Utilitarist 304
6.6 Der Weltbürger 305
6.7 Der Naturbegabte 307
6.8 Der Defaitiste 308
7 Schlussbemerkungen 311
7.1 Zum Problem von Nähe- und Distanzsprache 311
7.2 Kreolisch und Französisch in der Gesprächssituation 312
7.3 Diglossie, Sprachkonflikt und die französischen Antillen 314
7.4 Die Jahre 2000 und 2001: ein Meilenstein in der Pariser Sprachpolitik? 316
7.5 Sprache und Identität 317
Merkmalsmatrix 321
Abkürzungsverzeichnis 325
Abbildungsverzeichnis 327
Literaturverzeichnis 329