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Ein pensionierter Zerstörer

Postscriptum zu Cioran

Große, Jürgen

Blaue Reihe

2025

Zusätzliche Informationen

Bibliografische Daten

Abstract

Der rumänisch-französische Dichterphilosoph E. M. Cioran (1911–1995) wird zumeist entweder als Schriftsteller oder als Denker wahrgenommen. Jürgen Große zeigt in seiner Studie hingegen, dass eine scharfe Trennung inadäquat ist und dass Ciorans schriftstellerisches Werk aus einer tiefen Vertrautheit mit der europäischen wie außereuropäischen philosophischen Überlieferung erwachsen ist. Ziel des Buches ist es, Ciorans Denken vom Ruf des Exzentrischen, ja Launenhaften zu befreien. Cioran war einer der großen Leser des 20. Jahrhunderts. Noch dem kleinsten Essay gingen monate-, mitunter jahrelange Quellenstudien voraus. Ciorans Schreiben und Denken ist somit alles andere als spontan oder stimmungshaft, auch wenn es sich oftmals so gibt. Es ist dem akademischen Denk- und Darstellungsstil allerdings entgegengesetzt: Der affektive Gehalt von Metaphysiken und Moralsystemen wird nicht unterdrückt, um vermeintlich affektbefreite, objektive Erkenntnis zu gewinnen, sondern vielmehr explizit gemacht. Cioran war, abweichend von dogmatisch-religiösen wie liberal-säkularen Geistestraditionen des Okzidents, kein Denker, der für richtig erkannte Ideen mit der Rhetorik des besseren Arguments lediglich illustrierte. Vielmehr wollte er »Ideen in Manien verwandeln«, sich »der Mythologien und der Theologien für indirekte Vertraulichkeiten« bedienen. Der philosophische Schriftsteller im Sinne Ciorans macht sich selbst zum Austragungsort versteckter oder unentfalteter Ambivalenzen. Er nutzt seine Affekte, um den affektiven Gehalt philosophischer und weltanschaulicher Wertsetzungen bloßzulegen. Die Studie zeichnet Ciorans Denken und Schreiben anhand von zwölf thematischen Brennpunkten nach.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenüberschrift Seite Aktion Preis
Cover U1
Titel 3
Impressum 4
Inhalt 5
Prolog: 'Das normalste Wesen aller Zeiten' 9
1. Der Intellektuelle als Märtyrer 17
Paris als Hauptstadt des Westens und seiner Intellektuellen 19
Westlicher Geist als Martyrium 26
Der Intellektuelle als Märtyrer des Lebens 32
2. Aspekte westlichen Bewußtseins 37
Geist als Indikator: der Maßstab Reflexion 41
Geist als Faktor: Fanatismus der Idee 48
Selbstbewußtsein und schlechtes Gewissen 60
3. Die Schlaflosigkeit des Geistes 69
Ursprung der Schlaflosigkeit 70
Phänomenologie der Übernächtigung 75
Ressentiment und Rücksichtslosigkeit 78
Philosophieskepsis 81
Literaturbegriff 85
Erlösung Ermüdung? 89
Epilog: Gott in der Nacht 93
4. Gnosis, Gnostizismus und Dualismus 95
Gnosis und Dualismus 98
Fanatismen 103
Gnosis oder Gnostizismus? 108
5. 'Der Skeptiker ist ein verfehlter Mystiker' 117
6. Nietzsche, Klages und das Ressentiment 133
Dankbarkeit im Bösen 134
Nietzsches Lehre vom Ressentiment 135
Klages' Nietzsche-Kritik 138
Leben als Empörungstat 140
Gnosis, Skepsis, Moralistik 142
Ressentiment in Politik und Kultur 144
Die Idolatrie des Werks 146
'Schaffen heißt seine Leiden hinterlassen' 149
Zynismus 150
'Wem soll ich zürnen?' 151
Weisheit durch Ermüdung 152
Nietzsche – ein Utopist 154
7. Trauer und Melancholie: zur Philosophie der Stimmungen 157
Philosophischer Aufstieg der Melancholie 158
Geistige Potenzen der Trauer 161
Mißtrauen gegen die Melancholie als Intellektuellen-Selbstkritik 164
Linke Melancholie und germanische Ironieresistenz 165
Metaphysiken der Stimmung 167
Gegen Heidegger 169
Philosophische Korrumpierbarkeit 171
Melancholie – eine unpersönliche Unruhe 172
Philosophische Überlegenheit des Schriftstellers 175
8. Zweierlei Romantik 179
Verluste 182
Sehnsüchte 186
Zeitgenossenschaft 192
9. Exzeß der Mitte: Cioran und Pascal (I) 197
'Die Eleganz der Angst' 198
Grenzenloser Selbstzweifel, begrenztes Menschenwesen 199
Befreiung und Gehemmtheit 200
Gefahren des Hochmuts 202
Skeptizismus und die korrumpierte Verzweiflung 203
Vorteile der Krankheit 205
Philosophie? 206
Unvermittelte Gnade 207
Fromme Heiden, profanierte Christen 209
Richtig zweifeln 210
Ein Denker für Ungläubige 212
10. Ennui ohne Verklärung: Cioran und Pascal (II) 215
Metamorphosen der Langeweile 216
Selbstermächtigung und Sinnentleerung 218
Entfremdete Welt, versteinerte Zeit 219
Analogie von Langeweile und Zweifel 220
Seinsmangel und Willensehrgeiz 222
Allein mit der Zeit 223
Zeit, Geschichte und Verhängnis 225
Die Langeweile der Philosophen 227
Leid oder Langeweile 229
Verstehen durch Verzicht 230
Vom Ennui zum Cafard 231
11. 'Über einen, der in Ideen macht': Sartre, der Zeitgenosse 233
'Ich habe eine religiöse Dimension. Die hat er sicher nicht.' 237
Das Drama des Bewußtseins 242
Geist, Zweifel und Verneinung 248
Häresien der Bürgerlichkeit 253
Philosophie und Literatur 259
Jenseits des Engagements 268
12. Cioran als Erfolgsautor 273
Die drei Ordnungen 276
Was ist Mißerfolg? 283
Unerfüllbare Wünsche 291
Epilog: 'Dieses Gezücht von Glossatoren' 295
Siglen 303
Nachweise 307
Personenregister 309